Volltext: Die neue Zeit

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ich nur Deine Tochter, kann nur die Bewahrerin 
all Deiner großen Pläne und Gedanken sein.“ 
„Anne!“ Rottmann zog Anne an sich und 
schaute ihr in die Augen. 
„Ja, Vater. Dein schaffender Geist ruht 
nimmer, Deine Arbeitskraft ist unermüdlich. Ich 
bin Dein Kind, ich habe das gleiche Sehnen nach 
Schaffen, nach Arbeit — ich bin Dein Kind, Vater 
— aber ich bin nur Deine Tochter.“ 
„Anne, ja, ja, Du bist mein Kind! Und nun 
zffne die Augen und den Sinn und blick um Dich! 
Es wird auch Deine Zeit kommen, wo Du schaffen 
kannst, wenn Du reif sein wirst. Dann wird sich 
all das Gebundene in Dir regen, dann werden Früchte 
reifen aus dem Samen, dann wirst auch Du die 
ganzen Wonnen und Schmerzen des Schaffens aus— 
kosten. Wenn ich dann auch nicht mehr bei Dir 
bin, so bin ich Dir doch nah, Liebling! Du wirst 
mein Erbe sein in der Liebe zur Heimat, zu der 
Menschheit. Und nun noch einmal: blick um Dich. 
Nimm in Dich auf so viel Du kannst. Deine Zeit 
wird kommen, wenn sie auch heute noch fern ist.“ 
Und Anne blickte um sich. 
Zu ihrem Staunen fand sie dort in Berlin manche 
Frau, die männlichen Geist, männliche Tatkraft 
hatte. Es waren freilich Ausnahmen. Aber Anne 
fühlte, daß ihr vielleicht auch solch Ausnahmeleben 
vergönnt sein könnte. Ja, führte sie es nicht schon? 
War sie nicht schon lange aus den Grenzen getreten, 
die sonst Sitte und Gebrauch zogen? 
Zum erstenmal dachte Anne über ihr ganzes 
Leben unpersönlich nach. Sie dachte prüfend ihrer 
Verlobungszeit, ihrer großen, heiligen Gedanken, 
ihres tiesen Sturzes. Sie hatte seitdem gelernt,
	        
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