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sah den Vater am Schreibtisch sitzen, den Kopf auf—
gestützt. Wie sorgenvoll sah er aus, wie müde!
Sie schloß sachte die Tür und eilte auf ihn
zu. Im nächsten Augenblick kniete sie neben ihm
und umschlang ihn stürmisch. „Vater, Vater!“
„Anne, Kind, Du kommst?“
Stumm hielten sie sich eine Weile umschlungen.
Und dann gestand Anne, wie Hünnebach ihr gestern
abend zuerst so bitter weh getan, wié dann aber
ihr egoistischer Schmerz ihr im rechten Licht er—
schienen sei.
„Es wird nicht gleich alles so gehen, Vater,
wie ich es wünsche. Hab eben Geduld mit mir.
Aber lernen möcht' ich's, lernen von Dir, wie man
sich selbst vergißt.“
„Hab Du immer selbst Geduld, meine Anne.
Es wird Dir nicht immer leicht sein. Du bist noch
so jung.“
„Ach, Vater, ich fühl' mich so alt, es liegt
alles so weit hinter mir. Wenn ich nur wieder
Dein Kamerad sein darf in allem. Darf ich das,
Vater? — Daß ich immer für Dich zu denken habe
und keine Zeit habe, an mich zu denken.“
Rottmann seufzte tief auf. „Ja, Kind. Komm,
steh nun auf und laß uns zur Mutter gehen.“
Und am Arm des Vaters ging sie heim. Die
Straßen waren nun leer, aber trotzdem blickte Anne
nicht um sich. Sie sah auf den Vater, den sie in
drängender Hast allerlei fragte. Sie wollte be—
weisen, wie ernst sie gewillt war, ihre Vorsätze zur
Tat zu machen. —
Am Abend blieb sie auch am runden Tisch,
und die Freunde freuten sich des frohen Ausdrucks