2009 —
heute morgen war mir jedes Wort klar, das mein
Weib in der Nacht gesprochen. Kommen Sie
nach der Magistratsfitzung in mein Kontor. Ich
will nicht wissen, warum Sie uns gestern abend
so plötzlich verließen, auch nicht, warum die stille
Seligkeit vom Angesicht unserer Anne gewichen.
Ich will nur als väterlicher Freund mit Ihnen
beraten, wie es zu ermöglichen wäre, daß Eurer
beider Liebe ein baldiges, wenn auch recht be—
scheidenes Ziel finden könnte.
In diesem Sinn
Ihr wohlgesinnter
Sebastian Rottmann.“
Hellmut Haßner stand und starrte auf die
tintenbekleckste Tischplatte seines Schreibtisches. Den
Brief Rottmanns hatte er zu einem Klumpen ge—
ballt in der krampfhaft geschlossenen Faust. —
Am Nachmittag stand er Rottmann gegenüber,
sich selbst wieder ähnlicher, denn in den ganzen
letzten Wochen.
Am Morgen in der Magistratssitzung war er
auf Rottmanns Veranlassung gewählt worden, an
einer Kommissionsreise nach München teilzunehmen,
um im städtischen Interesse an den kommunalen
Einrichtungen der Hauptstadt Studien zu machen.
Zwei Monate würde er Nürnberg fern sein, und
Rottmann erklärte sich bereit, zum Weihnachtsfest in
eine öffentliche Verlobung zu willigen.
Haßner hatte die ruhige Sicherheit der Zeiten
zurückgewonnen, da er noch, ohne zu wanken, den
Weg zum Ziel gegangen; die Vorgänge der letzten
Nacht waren ein Rausch gewesen, schnell verflüchtigt,
bald vergessen.
Rottmann nahm Haßner nach der Besprechung
uu Volbehr. Die neue Zeit. 14
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