Volltext: Anselm von Feuerbach, der Jurist, als Philosoph

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von Gelehrsamkeit und Verdienst in mir herum, dem ich nahe- 
‚zukommen mich bemühe, das ich aber wohl nie erreichen 
werde. Dieses Ideal, dieses Streben nach ihm und das Be- 
wusstsein meiner grossen Entfernung von ihm ist die einzige 
Quelle meines Unglücks, ist ein Wurm, der quälend an meinem 
Herzen nagt. Der Gedanke daran stürzt mich häufig in die 
schwärzeste Melancholie, wo ich mir selbst und anderen zur 
Last bin. Kein Lob meiner Freunde kann mich aufmuntern 
oder besänftigen — mein Bewusstsein bezichtigt sıe der Lüge, 
denn dieses sagt mir immer: Du bist noch unendlich welt 
von deinem Ziele entfernt, du bist noch lange nicht das, was 
du sein sollst und was du sein kannst. 
So sehr ich auch ehrgeizig bin, so trachte ich doch nicht 
nach dem Lobe derer, die mich umgeben, und suche keine 
Befriedigung meines Ehrgeizes in dem Beifall, den mir engere 
Zirkel darbringen. Mein Blick ist auf das Ganze, auf die Welt 
gyerichtet. Von daher muss das Lob kommen, wenn meine Ehr- 
begierde gesättigt werden soll. Im Tempel der Unsterblich- 
keit will ich prangen, dies ist mein höchster Wunsch, dies ist 
das einzige Ziel all meines Bestrebens, daher ich auch nicht 
den Umgang grosser Gelehrten und in ihrem Zirkel zu. pran 
gen suche. 
Ich bin nicht stolz, wie man glaubt. Niemand kann eine 
geringere Meinung von sich und seinem Werte haben, als ıch 
von mir. Aber ich habe ein rauhes und starres Wesen, ıch 
gyerate leicht in Hitze und Zorn, wenn mir ın Dingen, die ich 
genau durchdacht habe, widersprochen wird, besonders aber, 
wenn ich Verachtung in dem Betragen anderer wahrnehme 
oder doch wahrzunehmen glaube, und man, ohne genau meine 
Gründe anzuhören, absprechend über meine Behauptungen 
urteilt. Ich gerate dann so sehr in Hitze, dass ich mich kaum 
enthalten kann, mit tödlichen Waffen auf meinen Gegner los- 
zugehen. Dies bestimmt wohl meine Freunde zu diesem Urteil. 
Ich bleibe mir in meinem äusseren Betragen nicht gleich, 
ein Fehler, der nicht mir, sondern meinem Temperament und 
meiner Melancholie zugerechnet werden kann. Ich habe ‘ge- 
wisse Stimmungen, wo alle Menschen, selbst meine Freunde, 
mir verhasst sind. Zu einer anderen Zeit bin ich der zärtlichste
	        
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