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die Dichtung durch einen langen Prolog, in dem uns Haus
Sachs eine Schilderung seiner großen Reise — von Nürnberg,
dem Tirol, der Schweiz bis nach Holland und an die Ostsee —
giebt.) Die Handlung setzt im ersten Akt damit ein, wie
Hans Sachs bei der ihm befreundeten Familie des Flaschners,
d. i. Klempners, Lorenz einkehrt. In teils derber, teils lügen-
haft-aufschneiderischer Weise giebt er eine Beschreibung der
Merkwürdigkeiten, die er auf seiner Reise sah, und erzählt
auch, dass er sich mit der Meistersingerei beschäftigt habe und
zum Meisterkranz vorgemerkt sei. Das wäre sein Sonntags-
schmaus, die Schusterei dagegen Werktagsbrot. Während eines
ı) Diese große Reiseschilderung mag veranlasst worden sein durch
mehrfache persönliche Angaben des Hans Sachs in seinen Gedichten, allein
es ist erwiesenermaßen unrichtig, dass Sachs seine Wanderschaft derart
ausgedehnt habe. Wenn er an einzelnen Stellen seiner Gedichte sagt, er
habe die und die Städte besucht, so ist das nichts weiter als dichterische
Freiheit, die dadurch eindringlich wirken will, dass der Verfasser gleichsam
Augen- und Ohrenzeuge der Begebenheiten gewesen ist, die er dahin ver-
legt. (Vgl. Goetze in d. A. D. B. XXX, S. 114.) So z. B. in seinem Lob-
sprüchen, aus welchen nicht gefolgert werden darf, dass der Dichter die
besungene Stadt auch wirklich gesehen habe. Diese Dichtungen waren
damals sehr beliebt, auch andere Dichter verfassten Lobsprüche auf Städte
usw. Ja, man ließ sie sogar unter der Flagge des Hans Sachs segeln, wie
z. B. den Lobspruch auf die Stadt Rostock, dessen Schluss lautet:
1419 Jar
Zu Rostock auffgerichtet war
Ein hohe Schul da man noch heut
Auffzeucht gelert und geistlich leut
Zu Geistlich und Weltlichem stand
Die darkommen aus manchem Land
Gott geb der Stat hail, fried und glück
Dass sie zunehm in allen stück
Sein heilig wort zu aller zeit
Helt in hertzlicher ainigkeit
Das jr Glück grün, plü und wachs ‚
Das wünscht ihr zu Nürnberg Hans S. —
Gustav Floerke hat in Schirrmachers Beiträgen zur Geschichte Mecklen-
burgs I, S. 299 ff. dieses Gedicht, das bei einer alten Abbildung Rostocks
geschrieben steht, dem Hans Sachs zugeschrieben, allein neuerdings spricht
man es dem nürnberger Altmeister ab, und wohl mit Fug und Recht. Die
Gründe dafür siehe bei Heinrich Giske im X. Band des Archivs f.
Litt..Gesch.