75
und muß ich mich in der Hauptsache darauf beschränken, Bekanntes, ge—
wissermaßen systematisch geordnet, vorzuführen und in Erinnerung zu
bringen. Zu diesem Zwecke übergehe ich die geschichtliche Entwicklung der
Müllerei und die Getreidephysiologie, wie ich auch im allgemeinen Zweck
und Konstruktion einzelner Müllereimaschinen und müllereitechnischer Vor—
gänge als bekannt voraussetze und diese nur dann berühre, wenn ich
über Beschaffenheit und Zweck derselben Unklarheit vermute. Auch setze
ich im allgemeinen und wenn ich nicht Gegenteiliges bemerke, voraus, daß
Weizenmüllerei gemeint ist.
Zweck der Müllerei, über welche ich heute zu sprechen die Ehre
habe, ist: Trennung des im Getreidekorn enthaltenen Mehl—
körpers von der Schale und Verwandlung desselben in Mehl
von gewünschter Beschaffenheit auf mechanischem Wege mit ge—
ringstem Kraftbedarf und geringstmöglicher Handarbeit.
Das ideale Ziel, die Schale oder Kleie absolut mehlfrei und das
Mehl ganz kleienfrei zu bekommen, kann bis heute auf mechanischem
Wege fabrikationsmäßig nicht erreicht werden, und wir müssen uns da—
rauf beschränken, dem idealen Ziele so nahe als möglich zu kommen.
Die Erzeugung von Mehl auf chemischen Wege brauchen die Mühlen—
besitzer vor der Hand nicht zu fürchten.
Sehr frühzeitig haben sich nun bei der Erzeugung von Mehl auf
mechanischem Wege, je nach Beschaffenheit des zur Verfügung stehenden
Getreides, d. h. je nachdem das Getreide mehr oder weniger hart war,
zwei Arten der Müllerei herausgebildet, nämlich die Hochmüllerei und
die Flachmüllerei.
Die Hochmüllerei als verbreitetste Mehlmethode verfolgt den Endzweck,
die Mehlerzeugung mit allmählicher Zerkleinerung des Getreidekornes unter
Abscheidung der mehlfreien Kleienteile zu erreichen, während die Flach—
müllerei dieses Ziel durch möglichst direktes Zerkleinern des Kornes
unter Kleienabstoß zu erreichen sucht.
Zwischen diesen beiden Methoden gibt es eine Anzahl Unter—
abstufungen, die sich mehr der einen oder anderen Hauptmethode nähern.
Darüber, daß kleienfreie, helle Mehle nahrhafter als kleienhaltige, dunkle
Mehle sind, brauche ich mich an dieser Stelle wohl nicht zu verbreiten,
ebenso wenig darüber, daß nicht, wie früher angenommen wurde, der
Kleber als dünne Schicht unter der Schale sitzt, sondern im ganzen
Mehlkörper ziemlich gleichmäßig verteilt ist.
Die Erzeugung von Mehl hat sich besonders an den billigsten Ver—
kehrswegen zu einer Großindustrie entwickelt, die die eingebürgerte ge—
werbeartige Erzeugung durch Massenfabrikation hart bedrängt. 537
Die Vorteile, welche billige Verkehrsstraßen bieten, sind so groß, daß
die Spesen für Dampfkraft dagegen verschwinden, So betragen 3. B.
die Spesen für Dampfkraft einer großen Dampfmühle pro Sack ca. 10
bis 11 Pfg., während an Fracht- und Behandlungsspesen etwa das sieben—
fache erspart wird. V —
Abgesehen von Erstrebung von Verkehrsausgleichungen und sonstiger
allgemein wirtschaftlicher Vorteile wird es die Aufgabe der kleinen Mühlen
sein, mit ihret Fabrikation mindestens die gleichen Mehlquali—