Volltext: Eine anonyme deutsche Gottesdienstordnung aus der Reformationszeit

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„Dasselbe gilt vom Segen, dem letzten Entlassungsgebet der Gemeinde; ... es gehört 
nichts Individuelles hinein. Paraphrasiert man den Segen, so wird er ein guter Wunsch des 
Geistlichen. Ob aber der Geistliche dich, euch oder uns im Segen braucht, ist völlig gleich— 
gültig“ (XIII, 163). 
Die „Formulare bei bestimmten Handlungen“ können bindend sein nur in den 
Teilen, die „unmittelbar biblisch‘ sind. Unter den gegebenen biblischen Elementen aus— 
zuwählen, kann „in besonderen Umständen gerechtfertigt werden“ (XIII, 161). In Bezug auf 
hinzugefügte „Erklärungen, Anreden, Auseinandersetzungen“, die „antiquieren“ können, „muß 
der Freiheit des Geistlichen ein gewisser Spielraum gelassen werden“, wenn man ihn als 
lebendiges Organ der Kirche ansehen will (XIII, 161). 
Am unfreiesten steht der Geistliche gegenüber den „symbolischen Formeln“, „wo 
alles Individuelle ausgeschlossen bleiben soll und nur das Allgemeine hervortreten muß“ 
(XIII, 158). Und doch, „ganz null ist die Freiheit des Geistlichen auch hier nicht“. 
„Wenn man sich den Geistlichen als Diener des göttlichen Wortes denkt: so ist damit schon 
alles Mechanische ausgeschlossen, denn Geist ist das Lebendige, dem Mechanismus entgegen— 
gesetzt; und daher werden wir dies feststellen können, daß der Geistliche niemals ... sich zu 
dem Buchstaben verpflichtet fühlen kann“ (XIII, 159). „Er hat nur zwei Wege, entweder die 
Liturgie zu ändern, so leise als möglich, oder der Gemeinde begreiflich zn machen, daß er 
in diesem Punkte nicht er selber ist, sondern nur Organ des Kirchenregiments“ (XIII, 1600 f.). 
Das sind feststehende allgemeine Grundsätze. Im einzelnen darf dagegen Wechsel und 
Veränderung nie ausgeschlossen sein. Denn die „liturgischen Elemente“ können „ihre Wirk— 
samkeit verlieren, wenn sie aus einer Zeit stammen, mit welcher die, in welcher sie gebraucht 
werden, in keinem Zusammenhang steht, denn dann werden sie notwendig gehaltlos“ (XII, 562). 
„Was antiquiert ist im Liturgischen,“ muß daher fallen; nur denke man daran, daß „der 
Klerus in allem, was sich auf den öffentlichen Gottesdienst bezieht, die öffentliche Stimme 
auf das Gewissenhafteste beachten und niemals die Veränderung des Bestehenden sich allein 
vorbehalten“ muß (XII, 503). Dem evangelischen Volk muß dabei stets die Überzeugung 
bleiben: „Alle Anordnungen, betreffen sie die Lehre oder betreffen sie die 
äußeren Angelegenheiten, sind insgesamt Buchstabe“, und es „darf nichts der Art 
angesehen werden, als solle, ja auch nur dürfe es ewig bleiben“ (Pred. IUI, 582). 
Deshalb, „fern sei es von uns, daß wir wollten auf diesen, wenn gleich noch so teueren, doch 
immer nur menschlichen Buchstaben oder auf irgend eine väterliche Einrichtung einen solchen 
Wert legen, als sei darin etwas Göttliches und auf ewig Festzuhaltendes“. AÄndern wir 
also, wo es nötig, in rechter Weise, „nicht nach dem Neuen greifend als des Alten über— 
drüssig, sondern festhaltend, was wir haben, so lange es uns Segen gewährt! — Dabei laßt 
uns bleiben, so wird, so viel an uns liegt, unsere evangelische Kirche nie veralten, sondern 
durch die Kraft des Lichtes und der Wahrheit sich immer in sich selbst veriüngen. Werden 
die verschiedenen Ansichten, die sich bei uns zu einer lebendigen Gemeinschaft verbinden, in 
diesem Geiste immer zusammenwirken, so wird es zu keiner Zeit fehlen, unsere christlichen 
Versammlungen so einzurichten, daß alle darin Befriedigung finden, welche, mit Verlangen 
Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten erfüllt, das Bedürfnis wahrhaft christlicher, 
gemeinsamer Andacht empfinden“ (Pred. IV, 246). 
Liturgisches aus der lutherischen Kirche Frankreichs 
von C. Scheer in Paris. 
Am 7. Mai fanden in Paris die lutherischen Pastoralkonferenzen statt, auf denen 
Pfarrer Weber über die „Bedeutung der Musik im evangelischen Kultus der 
Gegenwart“ (de la musique dans le culte evangélique contemporain) referierte. Der von 
großer Sachkenntnis zeugende und mit Begeisterung für die edle Sache gehaltene Vortrag be—
	        
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