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Auch in Heinrich war die Liebe für sein treues altes
Mütterchen wieder mächtig emporgeflammt. Alle Schmerzen und
Sorgen schwanden, ein wohlthuendes Gefühl des Geborgenseins
überkam ihn, als er, sein Haupt in ihren Schoß gebettet, ihre
zärtlich liebbosende Hand fühlte.
Nun regte sich der Kranke. Mutter Lisbeth hatte sich noch
nicht erhoben, als er schon mit schwacher Stimme fragte: „Ist
er da? Oder hat mir geträumt, er sei gekommen?“
Mit raschem Schritt war Heinrich am Bette und beugte
sich über den Vater.
„Er ist da,“ sprach er weich und zärtlich, „und bittet Dich
herzlich: Heiße ihn willkommen!“
Der Klang seiner Stimme schien dem Alten zu Herzen zu
gehen. Mit einem langen, ernsten Blick reichte er dem Sohn
die Rechte und nickte ihm zu.
Vater,“ flüsterte Heinrich bewegt. „Du hast mir verziehen 7“
„Du sollst nicht mit Groll und Schelten in Deinem Eltern—
haus empfangen werden. Verzeihen, von Herzen verzeihen kann
ich Dir erst, wenn Du mir bewiesen hast, daß Du was geworden
bist. Was Richtiges. Wie ich's gewollt hab'. Dafür, daß
mein Sohn mit Komödianten herumzieht, habe ich nicht gespart
und geschafft. Meine Freud' wollt ich haben an Dir an meinem
Lebensabend, nicht Kummer und Sorgen.“
„Sprich nicht so,“ bat der junge Mann. „Du sollst noch
Freude erleben an mir. In dem Beruf, für den der Onkel mich
bestimmt hatte, hätte ich's nie zu was Rechtem gebracht. Da
fehlte mir die innere Freudigkeit. Zur Schriftstellerei aber drängt
nich mein ganzes Wesen und wo die rechte Begeisterung vor—
handen ist, da wird auch Gutes geschaffen.“
„So geh' und mach Dich an die Arbeit. Wenn Du was
Tüchtiges in Deinem Fach geleistet hast, wollen wir wieder vom
Verzeihen reden. Du wirst Dich aber beeilen müssen — viel
Zeit, darauf zu warten, habe ich nicht mehr.“