Volltext: Zu Nürnberg

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Die Jahre schwanden. In der Gärtner-Mohnung war es 
einsam und still geworden. Heinrich hatte längst die Schulbank 
mit dem Drehstuhl in des Paten Comptoir vertauscht und mancher 
Seufzer grenzenloser Sehnsucht entfloh der Brust der verlassenen 
Eltern. Mutter Lisbeths Augen wurden schwach vom vielen 
Weinen und der alte Martin schalt oft genug auf den Hochmuts— 
teufel, der ihn bestimmt hatte, sein einzig Kind sich selbst zu 
entfremden. Wär's nun nicht herrlich, wenn der Heinrich die 
Härtnerei erlernt hätte und Vater's Geschäft übernehmen könnte ) 
Er hätt's ja auch in eine „Kunstgärtnerei“ umwandeln können 
und dann später drauf heiraten .... 
Ach ja! das wär freilich schöner. Und der Alte holt einen 
oon Lisbeths Thränen ganz verwischten Brief des Sohnes aus 
dem wurmstichigen Sekretär, um zum hundertsten Male zu lesen: 
„Meine geliebten Eltern! Es ist mir die liebste Beschäftig— 
ung in meinen Feierstunden, an Euch zu schreiben und Euch 
Alles zu erzählen, was mein Herz bewegt. Ich sehne mich 
manchmal recht sehr nach einer traulichen Aussprache mit Menschen 
die mich verstehen und die finde ich hier nicht. Ich bin Gemüts— 
mensch — die jungen Leute, die mit mir auf dem Comptoir 
sind, möchte ich lebendige Zahlen nennen. Onkel selbst ist Ge— 
schäftsmann durch und durch, so sehr, daß mir manchmal graut 
vor ihm. Denn das kann ich Euch sagen, meine Teueren, das 
Ideal meiner Zukunft ist die hier übliche Art des Gelderwerbes 
— mehr Gelderjagens — nicht. Es legt sich überhaupt wie 
ein Alp auf meine Brust, wenn ich das große, nüchterne 
Comptoir betrete; ein Ekel erfaßt mich, wenn ich die Bücher 
zur Hand nehmen muß mit dem Bewußtsein, daß ich nun wieder 
stundenlang an nichts denken darf, als an Rurse und Prozente. 
Mit unwiderstehlicher Gewalt packt mich manchmal die 
Versuchung, dem Onkel den ganzen Kram vor die Füße zu 
werfen und ihm zu sagen: Nimm Alles wieder, was Du mir 
gegeben hast, schenke Dein Erbe wem Du willst, gib mir nur 
eines, nur eines: Meine Freiheit! CLaß mich hinausziehen in die
	        
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