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Victor und Isidor v. Sevilla überein. Das ist wohl auch eine Er-
mutigung für uns, uns auf dem richtigen Wege zu glauben, wenn
wir nun der Erklärung von Dürers Melancholie das System der
freien und mechanischen Künste zu Grunde legen,
V1I. KAPITEL.
Erklärung der Dürerischen Melancholie in allen
Einzelheiten und im Ganzen.
Auf dem Stiche „Melencolia“ führt uns der Künstler hoch
hinauf über das Gestade des Meeres mit freiem Ausblick auf
Himmel, Ufer und Meer. Zur Rechten erblicken wir einen ge-
waltigen Mauerblock, an dem oben weitergebaut wird, wie die
aus der Tiefe heraufführende Leiter andeutet. Links ragt eine breite
Grundmauer ein wenig über die Bodenfläche empor. Sie setzt
sich als eine Art Stufe auf der andern Seite um den grossen
Mauerblock herum fort. Auf dieser Stufe hat sich ein rätselhaftes
Weib niedergelassen. Traumverloren starrt sie in’s Leere. Mächtige
Flügel und ein Kranz auf dem Haare verkünden uns, dass sie
kein irdisches Weib ist. In scheinbar regellosem Durcheinander
sind um sie her allerhand Gerätschaften aufgetürmt, die teils an
dem Mauerblock lehnen und hängen, teils auf der niedrigen Mauer
und dem Boden Platz gefunden haben, zwischen ihnen auch zwei
lebende Wesen, ein schlafender Hund und ein geflügelter Knabe.
Von der bisher üblichen Darstellung der freien und mecha-
hischen Künste weicht dieses seltsam zusammengedrängte Gewirr
scheinbar weit ab. Am ersten würde man noch bei der geflü-
gelten Frauengestalt an die bisherigen und gleichzeitigen Ideal-
gestalten der Philosophie denken können. Aber gerade das wäre
falsch. Lassen wir einmal vorerst die Deutung der Hauptfigur
bei Seite, und sehen wir, wie weit wir an dem Faden der tradi-
tionellen Einteilung der weltlichen Wissenschaften durch dies
verwirrende Labyrinth gelangen.
Wenn wir hier wirklich die Abzeichen der freien und me-