Volltext: Beiträge zu Dürers Weltanschauung

nicht mehr ;zu lesen. Als er nach der Vision wieder zu sich 
kommt hält er sein Gelübde und widmet nun sein ganzes Leben 
der Bibel und der Bibelübersetzung. 
Dürer war Mystiker. Wie sein christlicher Ritter auf dem 
Boden der mystischen Frömmigkeit erwachsen war, so haben auch 
seine beiden herrlichen Blätter des Jahres 1514 ihre Umprägung 
aus der schematischen Gegenüberstellung der mittelalterlichen Scho- 
lastik in den Geist seiner Zeit und ihre wunderbare Verknüpfung 
durch den Begriff Melancholie. erfahren unter dem Einfluss der 
deutsch-mystischen Gedankenwelt. Vor allem kommt das auch 
darin zum Ausdruck, dass er nicht den Symbolen der weltlichen 
Wissenschaften und Künste eine stolz thronende „Theologia“ 
gegenüberstellt, sondern den mit der Bibelübersetzung be- 
schäftigten Klausner Hieronymus. Denn eine andere Arbeit kann 
es nicht sein, bei der uns der Heilige vorgeführt wird. Auf 
vielen gleichzeitigen Hieronymus-Darstellungen steht ausdrücklich 
„Biblia“ auf seinem Buche geschrieben und auf Dürers frühester 
Hieronymus-Darstellung, dem Basler Holzschnitte von 1492, liegen 
die hebräische und lateinische Bibel vor ihm aufgeschlagen. Ganz 
klar deutet Dürer damit an, worin er sowohl, wie der „Seelen- 
trost“, wie alle die wahrhaft religiösen Kreise seiner Zeit den 
einzig lebensfähigen Teil der kirchlichen Lehre erblickten: in der 
Beschäftigung mit der Bibel, die ja nun in immer neuen Ausgaben 
immer weiteren Kreisen zugänglich wurde! und auf deren Grund- 
lage eine neue Weltanschauung und Lebensform aufzubauen die 
heisse Sehnsucht der Besten im Volke war. Dürers Hieronymus 
ist wie eine Vorahnung der Thatsache, dass der wenige Jahre 
nachher erscheinende Befreier der deutschen Volksseele als eine 
der ersten und wichtigsten Aufgaben seines Lebens die Verdeutsch- 
ung der ganzen Bibel in Angriff nahm. 
Noch aber war. dieser Befreier nicht erschienen, als Dürer 
1 Dürers Pathe Koburger hat bis zum Jahre 1500 allein ı5 ver- 
schiedene Bibel-Ausgaben erscheinen lassen, mit den späteren zusammen 
im ganzen 30, darunter eine ganze Reihe in deutscher Sprache, unge- 
rechnet die zahlreichen Bibelscholien und Commentare. Vgl. Oskar 
Hase, die Koburger, eine Darstellung des deutschen Buchhandels in 
der Zeit des Ueberganges von der scholastischen Wissenschaft zur Re- 
formation. Leipzig 18069 S. 36fg.
	        
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