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VNamen Jesus malt, und immer wieder von ihm
redet, beginnt ihr Glaubenseifer zu religioͤser
Schwaͤrmerei auszuarten. Die Widmung des
letzten Buches lautet: „An meinen allerinnigst—
geliebtesten Seelenbraͤutigam Jesum Christum,
Gottes und Marien Sohn. Meinen Zochgelob—
testen Heiland und Seligmacher.“ Ganz im
Sinne der christlichen Mystik konstruiert sie sich
eine Seelenbrautschaft mit Christus, sie geht in
i0 voͤlliger Verzuͤcktheit in dem Gedanken auf, schon
auf Erden nur ihm zu gehoͤren:
„Jesu, laß mich dich nicht lassen,
Bleib, ach ewig bleib in mir,
Laß mich dich so fest umfassen,
Daß mich trenne nichts von dir,
Schmelz in eines dich und mich,
Daß ich lebe heiliglich.“
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Und doch ist in diesen uͤbertriebenen Versen,
welche so weit hinter den Sonetten stehen, nicht
etwa eine Art religioͤssen Wahnsinnes zu suchen,
wie der moderne Leser annehmen moͤchte. In
diesen Versen ist Catharina Regina ganz und
gar abhaͤngig von den froͤmmelnden Dichtungen
ihrer Zeit, vor allem von Spee und Seinrich
Muͤller deren Buͤcher sie mit großem Wohl—⸗
gefallen zur Hand nahm. Wie Angelus Silesius,
der spaͤtere Katholik, das voͤllige Aufgehen der
Seele in dem Wesen und der Person des Zei—