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Es ist nicht das einzigemal, daß wir im Nachleben Hans
Aachsens von einem Bilde des Meistersängers hören. Wir sind in
der glücklichen Lage, Bilder von ihm zu besitzen, die nicht bloße
Schöpfungen der Phantasie darstellen, sondern Aufnahmen nach
dem Leben. Fast ausschließlich ist es der greise Hans Sachs, den
sie uns vorführen. Das früheste Porträt ist der Holzschnitt Hans
Brosamers aus dem Jahre 1545, es stellt den Dichter im
51. Lebensjahre dar.! Wenn wir nach den später angefertigten
Bildnissen zurückschließen, so dürfte dieses Porträt ein wenig ideali-
siert sein. Es ist etwas ungemein Sonnig-Heiteres über die Gesichts-
züge des Dichters ausgebreitet, was freilich unsere Anschauung von
der frohen Lebensauffassung Hans Sachsens glücklich unterstützt.
Für das Fortleben Hans Sachsens kommt der Holzschnitt Brosamers
wenig in Betracht, die Hauptrolle in dieser Richtung spielt vielmehr
der Nürnberger Maler Endres (Andreas) Herneisen. Dieser hat
ein Brustbild des einundachtzigjährigen Hans Sachs gemalt, das
dann zur selben Zeit von Jost Amman gestochen wurde — eine
seiner besten Leistungen. Auf dieses Bild gehen meist die späteren
Hans-Sachs-Bildnisse zurück, es ist auch Vorbild für die vortreff-
liche Hans-Sachs-Medaille geworden, die man erst seit der Hans-
Jachs-Feier des Jahres 1894 kennt und die nach einer Vermutung
Riegauers vielleicht von Wenzel Jamnitzer herrührt.*? Herneisen
ı Abbildungen davon finden sich z.B. bei E. Mummenhoff, Hans Sachs
(Titelbild), E. Mum m enh off, Hans Sachsfest (Titelbild), E. G oe t z e, Hans Sachs
(Bayer. Bibl., Bd. 19, Titelbild). Eine vorzügliche Wiedergabe des Original-
holzschnittes enthält das Werk „Hans Sachs im Gewande seiner Zeit“ von
R. Z. Becker, Gotha, 1821, Taf. III. Das Bild Hans Sachsens gehört mit zu
den besten Arbeiten Brosamers. C. v. Lützo w, Gesch. des deutschen Kupfer-
stiches und Holzschnittes (Geschichte der deutschen Kunst IV, Berlin,
1891), S. 191—199, urteilt wenig günstig über Brosamer, was man nach dem
Hans-Sachs-Bildnis nicht gerade erwarten würde.
2 Das Herneisensche Bild befindet sich jetzt in der Sammlung Weber
zu Hamburg. Karl Ruland hat 1895 mitgeteilt, daß sich das beste Exemplar
von Herneisens Ölgemälde (wohl das Original) in der Großherzogl. Biblio-
;hek zu Weimar befinde. Es wurde im April 1779 aus Dav, Gottfried
Schöbers Sammlung in Gera erworben. Diese Bemerkung scheint Hans
Stezmann (s. u.) entgangen zu sein. Das Verhältnis des Hamburger Bildes
zum Weimarer wäre erst festzustellen. (Karl Ruland, Die Hans Sachs-
Ausstellung zu Weimar, in B. Suphan, Hans Sachs, Weimar, 1895, 5. 60—61).
Fe würde wohl der Mühe lohnen. wenn einmal ein Kunsthistoriker die