Volltext: Das Nachleben des Hans Sachs vom XVI. bis ins XIX. Jahrhundert

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Kästners Magister-Promotion ein derartiges Gedicht verfaßt, in dem 
er sich als Urenkel des Hans Sachs ausgibt. An Synkopen und 
Wechsel im Rhythmus läßt das Gedicht, wie die Probe bei Ranisch 
(S. 308) zeigt, nichts zu wünschen übrig. Neu war ja der Vorgang 
nicht, bei solchen poetischen Gelegenheitsgaben auf Hans Sachs 
zurückzugreifen. Schon hundert Jahre früher hatte Johann Heinrich 
Boecler diesen Weg gewiesen (oben 8. 119). 
Gottscheds Äußerungen über Hans Sachs kehren in anderen 
seiner Werke wenig verändert wieder. In der akademischen Rede, 
welche er 1739 zur Gedächtnisfeier von Opitzens hundertstem 'To- 
destag hielt, betont er, welchen Tiefstand damals die deutsche 
Dichtung einnahm, als der große Schlesier, der „Vater der deutschen 
Dichtkunst“, auftrat. „Nur Hans Sachs war der große Geist, den 
Germanien damals bewunderte, und den man trotzig genug, den 
Homer der Deutschen zu nennen pflegte. Nur ein Ringwald, nur 
ein Rollenhagen, nur ein Vogel herrschten damals auf dem Deutschen 
Parnaß“.1 Was Gottsched in der „Deutschen Sprachkunst“* über 
Hans Sachsens Verstechnik vorbringt, erinnert im wesentlichen an 
das in den „Beyträgen“ (oben S. 141) abgegebene Urteil. Man er- 
sieht daraus, daß er eine richtige Vorstellung von der äußerlichen 
Reimkunst der Meistersänger hatte. Der Begriff richtiger Skansion 
ying ihnen natürlich ab. Nur zufällig geriet auch einmal Hans 
Sachs in das richtige Fahrwasser, z. B. in dem Liede „Warum be- 
;rübst du dich, mein Herz“. Am eingehendsten hat sich Gottsched im 
„Nöthigen Vorrath zur Geschichte der deutschen Dramatischen Dicht- 
kunst“ (1757) mit Hans Sachs beschäftigt, er bietet hier auch ein Stück- 
chen Hans-Sachs-Bibliographie. Es ist lehrreich, zu sehen, wie Gottsched 
in den Bemerkungen zu einzelnen Stücken die dramatische Technik Hans 
Sachsens beurteilt. Nachdem er (1. T., S. 50) das „Hofgsind Veneris“ 
zergliedert hat,3 spricht er dem Dichter „die Einsicht des Theaters“ 
ab. Seinem Stücke fehle der „Knoten“, er vermenge allerhand Per- 
sonen. „Kurz, es war ein schwacher Versuch eines jungen Menschen, 
der nicht einmal studiret hatte; sondern aus bloßem Triebe seines 
Naturells, die zu seiner Zeit im Schwange gehenden schlechten 
/1Gottsched, Gesammlete Reden, Leipzig, 1749, S. 204. 
? 4. Aufl., Leipzig, 1757, S. 570—571. Die erste Auflage erschien 1748, 
3 Man vgl. auch die Besprechung von Gottscheds „Nöthigem Vorrath“ 
in der Bibliothek der schönen Wissenschaften, 3. Bd., 1. St. (1758), S. 92.
	        
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