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sängers besessen haben. Gewiß hat er den ersten und zweiten
Band der Werke Hans Sachsens in der Hand gehabt. Ihre Ver-
wertung durch Grimmelshausen fällt in das Ende der Sechziger-
jahre des 17. Jahrhunderts. Er kannte Dichtungen von Hans Sachs
ganz genau, hat einiges daraus geschickt in seine Simplicianischen
Schriften eingefügt und auch öfters seinen Gewährsmann Hans
Sachs mit Namen angeführt. Man könnte überhaupt Grimmelshausen
den Hans Sachs der Prosa des 17. Jahrhunderts nennen. Es ist
leicht begreiflich, wie Grimmelshausen sich zu Hans Sachs hin-
gezogen fühlen mochte. Während wir in Moscherosch den gelehrten
Juristen vor uns haben, tritt Grimmelshausen als ein Mann des
Volkes auf, der sich als Autodidakt sein Wissen erworben hat.
Wie Hans Sachs, umringt vom Kampfe der Parteien, Spiegel-
bilder seiner Zeit naturgetreu und ungeschminkt schuf, ohne uns
die anerlesene Gelehrsamkeit vollständig zu schenken, so hat auch
Grimmelshausen in seinen Romanen die Form für den Niederschlag
kämpfender und wahlverwandter Elemente seiner Zeit gefunden und
dabei mit gelehrter Feile nachgeholfen. Daß Grimmelshausen zur
Benennung seines Helden durch Hans Sachs angeregt worden Sei,
will ich nicht ohneweiters behaupten. In dem „Faßnacht-spiel mit
5 personen, der unersetlich geitzhunger genandt“ ! spielt zwar der
einfältige Simpliceius eine Hauptrolle, aber es erscheint z. B. auch in
Wolfhart Spangenbergs „Singschul“ ein frommer Bauer Simplicius. “
Dagegen hat Grimmelshausen aus Hans Sachs eine Figur entlehnt,
die als das ewig Bleibende den ewigen Wechsel versinnbildlicht,
den „Bald-anderst“. Der Grundzug ist bei beiden Dichtern derselbe,
nur hat Grimmelshausen die Einkleidung etwas verändert und das
Ganze realistischer gestaltet. Die „Continuatio des abentheur-
lichen Simplieissimi oder der Schlusz desselben“ bietet als Über-
schrift des neunten Kapitels: „Baldanders kommt zu Simplieissimo
und lernet ihn mit mobilien und immobilien reden und selbige ver-
stehen.“ 3 Simpmplieissimus findet im Walde eine Statue. die er an-
1 Hans Sachs, hg. von Keller, 14, 154 ff,
2 Ich bin durch eine Bemerkung Jakob Grimms, die er in sein Exem-
plar der Werke Grimmelshausens — jetzt in der Berliner Universitäts-
Bibliothek — eingetragen hat, auf diese Namensfrage aufmerksam geworden.
3 Vgl. die Ausgabe Grimmelshausens von Keller in der Bibliothek
des litt. Ver. 34, Stuttgart, 1854. S. 874—878.