Volltext: Dürers Dresdener Altar

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gewissenhaften Pflanzenstudien, die er schon früh gemacht haben 
muß (z. B. zur >»Madonna mit den vielen Tieren«), eher kommen 
konnte, als irgend ein anderer Maler seiner Zeit. 
Ein Teil jener Vorwürfe erledigt sich rasch, da die betreffenden 
Stellen restauriert sind: die ausdruckslosen Fugen an den Pfeilern, 
die starre Zeichnung der Buchseiten — eine Prüfung des Originals 
zeigt, daß die Blätter früher anders bewegt waren — die etwas 
ungeschickten Falten im Mantel: hier sind in ziemlich roher Weise 
neue Lichter aufgesetzt, ohne viel Verständnis für die alte, wohl- 
erhaltene Zeichnung, die man freilich in der Photographie nicht 
sehen kann; doch wird man schon in unserer Abbildung 2 die 
beiden hart zusammentreffenden gradlinigen Lichter rechts als neu 
erkennen, im Unterschied von den feinen Lichtern unten.*) 
Bei dem anderen Teil der Vorwürfe kann ich nur sagen, daß 
ich Wölfflins Auffassung nicht teile. 
Im Mittelbild 
werden außer den oben genannten Übermalungen noch getadelt: 
die Madonna wegen starren Ausdruckes; gewiß ist der Ausdruck 
starr, aber kann man nicht Analogien in beliebiger Zahl aus 
Dürers frühen Werken heranziehen? Die Innenzeichnung des Kopf- 
tuchs sei gequält — ich kann nur sagen, daß ich sie sehr gut 
und sehr dürerisch finde (vergl. Abb. 2), ebenso wie die Zeichnung 
des Kissens (von der Wölfflin nicht spricht). Das Kind sei von 
Falten zerstückelt — gewiß, aber wenn man die Voraussetzungen 
der damaligen Dürerschen Kunst zusammennimmt: die deutsche 
Schulung und das Studium Mantegnas, kommt man dann nicht ge- 
rade auf diese Formen? Auch das Kind ‚auf dem »Großen 
Satyr« (der Hamburger Zeichnung von 1494 entnommen) sieht 
aus wie eine Schachfigur; erst allmählich kommt Dürer zu 
weicheren Formen. Der kleine Engel mit dem Fliegenwedel 
neben dem Christkind grenze an Karikatur. Alle die Engel auf 
nt 
*) Dagegen sagt Wölfflin, »die holperige Rückenlinie« des Sebastian sei be- 
schädigt; ich finde zwar den Stoff dahinter aufgefrischt, aber unter Einhaltung des alten 
Umrisses, der durchaus richtig überliefert ist.
	        
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