142
Reime und Redensarten, imgleichen eine gewisse ungekünstelte
natürliche Einfalt der Gedancken, nebst der vormahligen Recht-
schreibung der Alten recht nachzuahmen. Ich habe es ein paarmahl
versucht, aber das erste ist mir ohne Zweifel so gut nicht gerathen,
als das andre, weil es noch zu neumodisch ist. Canitzens Schreiben
an einen guten Freund, Mein lieber Bruder zürne nicht etc. ist
auch meines Erachtens zu zierlich und gekünstelt; ob es gleich sehr
viel schönes an sich hat.“ In der Ausgabe der „Critischen Dichtkunst“
vom Jahre 1751 (S. 797) fordert Gottsched als Vorbedingung für die
Kunst, gute Knittelverse zu machen, daß man die von ihm erwähnten
alten Dichter — darunter befindet sich auch Hans Sachs — fleißig ge-
lesen haben und auch „eine natürliche Geschicklichkeit“ mitbringen
müsse. Er führt dann hier als Meister in der Knittelverskunst den
Hofrat Müldener (Geander von der Oberelbe) an und nennt auch
noch die kurz vorher erschienene „Handvoll Knittelgedichte“ eines
Unbekannten.! Gottsched hat sich also, wie er selbst angibt, zweimal
in Hans-Sachsischer Weise versucht in den beiden Scherzgedichten :
‚Auf Hn. M. Joh. Fr. Mayens Geburts-Tag“ (Crit. Dichtk., 1. A., S.497 ff.)
und „Auf Hn. M. Stübners Magister-Promotion“ (ebenda S. 503 ff).
Die Verwendung von Knittelversen in scherzhaften oder in Glück-
wunschgedichten war im Gottschedschen Kreise beliebt und wurde
Jurch Gottsched gefördert, auch seine Frau half in der Sache mit.
Gottlob Benjamin Straube hat (1737) auf Abraham KGeotthelf
1 Vergl. Flo hr, Geschichte des Knittelverses, S. 855—86. Auch das „Hand-
lexicon oder Kurzgefaßte Wörterbuch der schönen Wissenschaften“, das
Gottsched (Leipzig, 1760) herausgab, lobt in dem Abschnitt „Knittelverse“
Müldener besonders. Die „Knittelverse sind“ nach der hier (Sp. 965) gegebenen
Erklärung „eine Gattung von Scherzgedichten, darinn man die einfältige Versart
der Alten, vor Opitzens Zeiten, nachahmet.“ Hans Sachs wird dabei nicht ge-
nannt. Auch der Artikel „Hans Sachse“ des: „Handlexicons“ (Sp. 1431) ist
recht dürftig ausgefallen. Auf die Verwendung kurzer Verszeilen in der
Satire bei Hans Sachs und im Froschmäusler hatte shon Gottscheds Beschützer
in Leipzig, Burkard Menke (Philander von der Linde), hingewiesen (Vermischte
Gedichte. Andre Auflage, Leipzig, 1727, S. 228; die erste Auflage erschien
L710). In einer „Satyre auf den Mißbrauch der Poesie“, die in derselben
Gedichtsammlung Menkes enthalten ist, wird allerdings (S. 203) ein unfer-
tiger Poet als einer gekennzeichet, der
„mit Hanß Sachsen
Noch in der alten Zeit verwildert aufgewachsen,
Der han vor haben braucht, und sich noch kaum enthält,
Daß nicht ein Lobesan aus seiner Feder fällt“.