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kann, ohne daß das daraus hergestellte Brot äußerlich als gefälscht zu
erkennen ist.
Durch die Erklärung des V.D. M. wird festgelegt, daß die so—
genannten Unkrautsämereien (übrigens eine unglückliche Bezeichnung, die
nur eine gewisse Berechtigung hat, wenn man sie auf menschliche Nahrung
bezieht), z. B. Kornrade, Trespe und dergl., die in einem bestimmten
Posten Getreide enthalten gewesen sind, unbedenklich in die Kleie hinein—
zunehmen sind, nachdem sie sachgemäß zerkleinert und gemischt wurden.
Von landwirtschaftlicher Seite wird dies zwar oft als unzulässig be—
zeichnet, aber zu Unrecht; denn der Müller hat keinen Einfluß auf das
Freisein des ihm angebotenen Getreides von Unkrautsämereien. Er muß
letztere mitkaufen und mitbezahlen, weil keine Möglichkeit besteht, dem
Besatz des Getreides mit Unkrautsämereien eine zuverlässig angemessene
Preisermäßigung entgegenzustellen. Ferner besitzen die Unkrautsämereien
erheblichen Wert für die Ernährung des Viehs. Es ist dies, wie schon
erwähnt, für die Kornrade in jahrelangen Versuchen der landwirtschaft—
lichen Akademie in Poppelsdorf ausdrücklich und zweifelfrei festgestellt
worden. (Vgl. die Wochenschrift der Müller von 1904 Seite 525 und
543). Schädliche Unkrautsämereien, z. B. Mutterkorn, gehören aller—
dings nicht in die Kleie, ebenso wenig wie z. B. Erdklumpen, Bindfaden—
reste und dergl.
Es ist ferner selbstverständlich, daß den Resten der Vermahlung, die
als Kleie angesehen werden sollen, nicht Gegenstände beigemischt werden
dürfen, die ursprünglich in dem gegebenen Posten Getreide nicht enthalten
gewesen sind; mit anderen Worten: wenn z. B. in einer Tonne Getreide
15 (010 Kg) Unkrautbesatz vorhanden ist, so dürfen auch in der Kleie,
die aus dieser Tonne Getreide entfällt, nicht mehr als höchstens 10 kg
Unkrautsämereien in vermahlenem Zustande vorhanden sein.
Im übrigen wolle die Landwirtschaft, wenn sie die Frage der
Reinheit der Kleie aufwirft, bedenken, daß die von ihr gelieferten Futter—
mittel (z. B. Rauhfutter und Häcksel) durchweg auch nicht in dem
Sinne rein zu sein pflegen, wie man es von der Müllerkleie verlangen
zu sollen glaubt.
Ein anderes Beispiel dafür, wie verschieden von Wissenschaft und
Staatsverwaltung eine und dieselbe Sache beurteilt werden kann, ist die
Tatsache, daß für die Frage, ob ein gewisses Müllereierzeugnis als Kleie
zollfrei einzuführen ist, letzten Endes der Aschengehalt maßgebend ist,
während für die Frage, ob dasselbe Erzeugnis auf der Eisenbahn als
Kleie nach Spezialtarif III oder als Mehl nach dem erheblich höheren
Spezialtarif J zu verfrachten ist, der Aschengehalt nicht in Betracht
kommt, sondern andere Merkmale, sodaß es sich mit Recht ereignen kann,
daß dasselbe Erzeugnis von einer Behörde als Kleie, von einer anderen
als Mehl behandelt wird.
Jedenfalls darf die wirtschaftlich-technische Grundlage für die ge—
richtlichen Urteile, wenn ein Gesetz in dem angedeuteten Sinne zustande
kommt, nur mit allergrößter Sorgfalt und Vorsicht gelegt werden, und
um zu vermeiden, daß berechtigte Interessen Schaden leiden, muß dem
Richter sowohl in der Beurteilung der Sache dem Grunde nach wie auch