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Sedan eingeschlossen, ritt er die Anhöhe wieder hinauf und befand sich in
der Nähe des Königs, als dieser aus den Händen des französischen
Generals Reille den Brief Napoleons entgegennahm, in dem der Kaiser
dem siegreichen König seinen Degen zu Füßen legte. An dem glänzenden
Siege dieses Tages hatten die Bayern einen hervorragenden Anteil. Sie
waren es, die in aller Morgenfrühe in dem Dorfe Bazeilles den ersten
Angriff der Franzosen trotz schwerer Verluste aushielten, und als diese
im Laufe des Nachmittags auf der Seite von Bazeilles einen ver—
zweifelten Vorstoß unternahmen, um den eisernen Ring, der sie immer
enger umschloß, mit ihrer letzten Kraft zu durchbrechen, da waren es
wieder die Bayern, die den Feind mit glänzender Tapferkeit zurückwarfen.
Am folgenden Tage war Prinz Luitpold Zeuge der Begegnung zwischen
dem König von Preußen und dem Kaiser Napoleon, dann aber eilte er
üher die Maas hinüber, um in Bazeilles seine bayerischen Truppen, die am
vorhergehenden Tage schwer gelitten hatten, zu begrüßen und die Verwundeten
aufzusuchen. Stolz durfte der Prinz auf seine Bayern blicken, stolz aber
auch auf seinen Sohn Leopold, der sich in dem Kampfe besonders hervor—
gethan hatte.
Wie an der Maas, so kämpften die Bayern auch an der Loire mit
heldenhafter Tapferkeit. Das erste bayerische Armeekorps hatte in Ver—
bindung mit einer preußischen Heeresabteilung die Stadt Orleans erobert,
mußte sich jedoch vor einem rasch gebildeten, an Zahl weit überlegenen
französischen Heere wieder zurückziehen. Als es am 1, Dezember 1870 bei
Villepion in der Nähe von Orleans von einer dreifachen Übermacht angegriffen
wurde, deckte Prinz Leopold, allein mit seiner Batterie, obwohl am Arme
verwundet, die zurückweichende Infanterie gegen die von allen Seiten
andringenden Feinde. Nicht minder heldenmütig war sein Verhalten am
4. Dezember, an welchem Tage er bei dem siegreichen Vordringen des
Prinzen Friedrich Karl von Preußen eine feindliche Batterie vernichtete.
In Anerkennung seincs kühnen und aufopfernden Mutes erhielt der tapfere
Prinz den bayerischen Max-Josephsorden und am heiligen Abend das
eiserne Kreuz erster Klasse, eine Auszeichnung, die seinem Vater bereits
am 3. September, nach dem Siege bei Sedan, zu teil geworden war.
Während Prinz Luitpold sich in dem königlichen Hauptquartier zu
Versailles befand, hatte er die Ehre, dem König Wilhelm den denkwürdigen
Brief des Königs von Bayern zu überreichen, mit der Aufforderung, den
Kaisertitel anzunehmen und an die Spitze der geeinigten deutschen Stämme
zu treten. Dieser Brief gab der allgemeinen Stimmung und Gesinnung
des deutschen Volkes und seiner Fürsten beredten Ausdruck. Die Einigkeit
Deutschlands, die tausend Reden und Bücher bisher nicht zu schaffen ver—
mocht hatten, jetzt war sie aus der von außen her kommenden, gemeinsamen