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der Schwankenden und fing sie in seinen Armen auf. Einen
Augenblick nur ruhte die völlig Verwirrte an der Brust des
heimlich Geliebten, dann richtete sie sich, nach Fassung ringend, auf.
„Ich habe stets das Unglück, Fräulein Helena, Sie zu er—
schrecken.“ Schlippenbachs Stimme bebte leise vor Erregung.
„Verzeihen Sie das kühne Eindringen hier, allein der innige
Wunsch, womöglich noch vor meinem Eintritt in Nürnberg Sie
zu sehen, verleitete mich dazu.“
Die Lider gesenkt, stand das schöne, junge Mädchen vor ihm,
vergeblich nach Worten suchend, während auf ihren Wangen
Röte und Blässe wechselten.
„Zürnen Sie mir wirklich, Fräulein Helena, weil die Sehn⸗
sucht mich trieb, etwas Ungehöriges zu thun, und haben Sie des—
wegen kein Wort des Willkommens für mich?“
Da schlug Helena voll den Blick zu ihm auf und streckte
ihm beide Hände entgegen. Sprechen konnte sie noch immer
nicht, doch Freude und Glück leuchteten aus ihren dunklen Augen,
und selig über die Gewißheit, die ihm entgegenstrahlte, beugte
Schlippenbach ritterlich das Knie und bedeckte ihre Hände mit
heißen Küssen. Dann sprang er auf und blickte sie, noch immer
die ihm willig überlassenen Hände festhaltend, wonnetrunken an.
„O wie glücklich bin ich, daß Sie meine Keckheit verziehen
haben!“ rief er aus. „Nicht wahr, Fräulein Helena, Sie zürnen
mir nicht mehr?“
„Wie sollte ich Ihnen zürnen, Herr von Schlippenbach“ —
leise kam es von Helenas Lippen — „hätten Sie doch vielmehr
allen Grund, sich über mein häßliches Betragen gegen Sie zu
beschweren, aber —“
„Ich bitte, kein Wort darüber. Ich kenne das beklagenswerte
Mißverständnis und begreife Ihr Verhalten gegen mich voll⸗
kommen, giebt es mir doch zudem die selige Hoffnung, daß ich
Ihnen nicht ganz gleichgiltig bin.“
„Sie wissen —?“ Helenas Gesicht bedeckte sich mit Purpurröte.
„Graf Khevenhiller, in dem auch ich hoffe, fürs Leben einen
treuen Freund gewonnen zu haben, kam eigens nach Augsburg,
um freimütig, wie nur ein wahrhaft edler Mensch dies kann, mir
zu erklären, er sei, freilich ganz ohne Absicht, schuld daran,
daß jenes Gerücht über mich zu Ihren Ohren drang.“
„Bartholomäus — aber wie wußte er es?“
„Fragen Sie nur Fräulein Eva Jörger, die kann es Ihnen
ganz genau sagen. Aber nun genug von jener Sache, die der