Volltext: Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens des Ärztlichen Vereins Nürnberg

(rrthümern unterworfen, Dieselben sind aber um so geringer, je intensiver 
ınd klarer das Bewusstsein seiner Zeit war. Störungen können sich auch 
inden in der zeitlichen Einordnung der Erinnerungen. Auch der Geistes- 
gesunde bedarf gewisser Hilfen, um die zeitliche Aufeinanderfolge seiner 
älteren Erinnerungen richtig zu reproduciren, indem man an einzelne, besonders 
wesentliche Ereignisse vorwärts und rückwärts anknüpft, 
Hysterische Lüge. Es frägt sich vor Allem, ob wir berechtigt sind, 
von einer hysterischen Lüge zu sprechen, Nach der oben gegebenen Definition 
wären wir dann hiezu berechtigt, wenn wir nachweisen könnten, dass die 
Hysterischen stets wirklich die Unwahrheit sprechen und dass dieselbe bewusst 
vorgetäuscht wird. Sind diese beiden Bedingungen nicht erfüllt, dann ist die 
Bezeichnung »Lüge« nicht zutreffend. Es ist zweifellos, dass die Hysterischen 
wie alle anderen Menschen, wenn sie sich wegen einer strafbaren Handlung 
zu verantworten haben, häufig absichtlich und in bewusster Weise die Unwahr- 
neit sagen werden, Allein in ebenso vielen Fällen werden sie eine Unwahr- 
heit resp. etwas Unrichtiges vorbringen, ohne sich dessen bewusst zu sein. 
Jm einen früheren Vorgang richtig zu reproduciren, also wahrheitsgetreu in 
der Erinnerung darstellen zu können, ist nothwendig, dass derselbe seiner 
Zeit mit einer gewissen Genauigkeit und Schärfe in uns aufgenommen wurde, 
‚n innige Beziehungen zu unserem übrigen Bewusstseinsinhalt getreten und 
das Reproduktionsvermögen nicht wesentlich geschwächt ist, so dass man 
sich der früheren Wahrnehmungen nicht nur bewusst wird, sondern auch 
ihre Anknüpfung an die bestehenden Vorstellungen sich in vollkommener 
Weise vollzieht. Jede Störung, welche einen der genannten Vorgänge beein- 
trächtigt, wird Veranlassung werden zur Fälschung der Erinnerung. Solche 
Störungen gibt es zahlreiche und nicht zum geringsten Theile deshalb, weil 
die Hysterischen in der weitaus grössten Mehrzahl der Fälle dem weiblichen 
Geschlechte angehören, 
Während nach Hoche der gutartige ältere Knabe der denkbar beste 
Zeuge ist, also offenbar die beste Erinnerungsfähigkeit besitzt, gilt dies nicht 
in gleichem Grade von dem älteren Mädchen, bei dem mit der Annäherung 
an die Pubertätszeit die erwachenden dunklen Sexualgefühle in ihren mannig- 
fachen Verkleidungen als gesteigertes Interesse an der eigenen Person, als Sucht, 
die Aufmerksamkeit zu erregen, als Freude an romanhafter Ausschmückung ein- 
facher Erlebnisse die Zuverlässigkeit der Erzählung bedenklich beeinträchtigen 
kann. Das Weib ist überhaupt während eines beträchtlichen Theiles seines 
Lebens als abnorm anzusehen. Man braucht nur an die Bedeutung der 
Menstruation und Schwangerschaft für das geistige Leben zu denken, welche 
Zustände ohne eigentliche Krankheit das geistige Gleichgewicht stören und 
die Freiheit des Willens beeinträchtigen. Dazu kommt die Unfähigkeit des 
Weibes, Affektstürmen zu widerstehen. Die während genannter Zustände vor- 
nerrschenden psychischen Veränderungen können unmöglich ohne Einfluss auf 
die Erinnerung sein und zwar vor Allem schon deshalb, weil die Aufnahme 
der äusseren Eindrücke bereits eine Störung erleiden kann und deshalb die 
——. nn
	        
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