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erklärte mir, dass er selbst erst seit einigen Tagen wegen starker Blutung zur
Patientin gerufen worden sei. Trotz Tamponade dauerten die Blutungen, welche
Patientin anscheinend schon längere Zeit verheimlicht hatte, fort, so dass die
'etzte Blutung zu völligem Collaps führte.
Trotz Campher und Infusion blieb Patientin bis zum andern Morgen be-
wusstlos; auf Tamponade stand vorläufig die Blutung. Die Untersuchung ergab
ein collosales Cervixmyom bis über den Nabel reichend; der Tumor war un-
beweglich ins Becken eingekeilt; auf dem obersten Pol sass der Fundus uteri
als kleine Kuppe.
Da bei dem desolaten Zustande der Patientin die Laparotomie wohl sicher
zum Exitus geführt hätte, unternahm ich den Versuch der vaginalen Entfernung,
Bei dem Zustande der Patientin war nur minimale Aethernarkose nothwendig.
Ich trug die Cervix, soweit sie erhalten, circulär ab, um an den untern
Pol des Tumors zu gelangen, spaltete noch die vordere Uteruswand und entfernte
Keil um Keil, was von dem Tumor zu fassen war. Die Operation, welche
3 Stunden dauerte, war äusserst mühsam; besonders kritisch wird in diesen Fällen die
Situation, wenn die untere Hälfte des Tumors entfernt ist, die obere aber nicht
folgt und sich ins Becken herabziehen lässt und so allmählich für Finger und
Instrumente nicht mehr erreichbar ist, In diesen Momenten halte ich es für
das Wichtigste, durch enucleirende Bewegungen an der Uteruswand, eventuell
unter Gegendruck von aussen, ähnlich wie bei einer schweren Wendung, ein
Stück Tumor von der Uteruswand los zu lösen und dann zu entfernen. Ist man
über den grössten Breitendurchmesser des Tumors, so folgt meist der Rest leicht
und lässt sich dann in faustgrossen Stücken entfernen, "Trotz der langen Dauer
der Operation war der Blutverlust äusserst gering; der Uterus wurde durch Naht
geschlossen.
Patientin war noch 2 Tage ohne Puls und Bewusstsein; es scheint ja bei
Frauen, welche Jahre lang stärkste Blutungen haben, eine gewisse Gewöhnung
des Organismus an hohe Grade von Blutleere statt zu finden, so dass wir auch
bei diesem extremen Zustande die Hoffnung nicht aufzugeben brauchen, während
bei jungen kräftigen Frauen manchmal eine einzige derartige Blutung (Abortus,
Atonia ut. p. p.) genügt, um sie an den Rand des Grabes zu bringen.
Bei unserer Patientin kamen nach 2 Tagen die ersten Reactionen und
allmählich erholte sie sich wieder unter glatter Heilung der Wunde,
Von grosser Bedeutung ist hier auch das vollkommene Fehlen von
Schmerzen post operationem, so dass im Zusammenhalt mit dem völligen
Intactbleiben der Bauchhöhle die geringsten Anforderungen an die Widerstands-
kraft der Patienten gestellt werden.
Unter den conservierenden Operationen bei Myomen mögen noch die
gestielten subserösen Fibrome Erwähnung finden; obwohl gerade diese am
harmlosesten unter den Fibromyomen des Uterus sind, können sie doch durch
ıhren Sitz unangenehme Beschwerden, besonders von Seiten der Blase oder
des Mastdarmes verursachen; hier nehme ich die vaginale Entfernung nur vor,
wenn die Tumoren nicht grösser sind, als dass sie in toto entfernt werden
können; dann genügt es, entweder den Douglas oder die plica vesico-uterina
zu eröffnen und den Stiel des Tumors abzubinden, Bei allen grösseren
Tumoren ziehe ich die Laparotomie vor.
Wir kämen jetzt noch zu der eingreifendsten der vaginalen Myomopera-
onen, der vaginalen Totalexstirpation des Uterus mit oder ohne Morcellement.