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grösse (= Elongation) der Zinken nicht in gleichen Zeiträumen um gleiche
Bruchtheile sinkt, sondern dass die Schwingungsamplitude der Stimmgabel in
annähernd geometrischem Verhältniss abnimmt, während die Zeitdauer
der Schwingung in arithmetischem Verhältniss fortschreitet. Näheres
über die Berechnung der Hörschärfe aus der Hördauer findet man in der
Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Band 32, Heft 2 in der entsprechenden Arbeit
von Bezold und Edelmann. Nach der daselbst auf Seite 184 gegebenen
Tabelle II würde in dem oben gewählten Beispiel einer Hördauer von 33!/3 %
der Normalen eine Hörschärfe von nur ”’/10900 entsprechen, Je mehr sich die
Hördauer der Normalen nähert, desto steiler nimmt die Curve der Hörschärfe
zu, so dass bei einer Hördauer von 91—02°%0 halbe Hörschärfe, bei Hör-
dauer von 95° ungefähr %4 Hörschärfe und bei Hördauer von 97% ?%l0
Hörschärfe resultiren.
Diese Verhältnisse muss man vor Augen behalten, um die bei Taub-
stummen gefundenen Werthe für die Hördauer der einzelnen Stimmgabeln
richtig zu würdigen. Eine Hördauer von 10 bis 20%, also von !40 bis 1/5
der Normalen, ist bei Taubstummen keineswegs selten. Wie wenig dies aber
bedeutet, ermisst man erst bei Umrechnung in die Hörschärfe; man erhält
dabei %/1600 bis !*/100v, und versteht sofort, dass ein so geringes Hörvermögen
der Taubheit sehr nahe steht.
3) Eine weitere Aufgabe der Functionsprüfung ist die Untersuchung des
Vocal- und Consonanten-, Wort- und Satzgehörs, und zwar in den 3 Abstufungen
des Rufens, der lauten Sprache (Conversationssprache) und der Flüstersprache.
Letztere kommt begreiflicher Weise bei den Taubstummen im strengeren
Wortsinn nicht in Betracht, wohl aber bei den vereinzelt in den Taubstummen-
anstalten anzutreffenden Hörstummen.
Da die ganze Untersuchung der Taubstummen darauf hinausläuft, die
für den Unterricht vom Ohr aus geeigneten Zöglinge herauszufinden, so
könnte man glauben, die Prüfung des Sprachgehörs sei das Wichtigste, ja
das allein Mafsgebende, und es sei nebensächlich, oder ganz überflüssig, den
Tonbereich mit der continuierlichen Tonreihe, und die Hörintensität für eine
Reihe von Stimmgabeln festzustellen. Dieser Irrthum war es, der das ganze
Unterrichtssystem der Taubstummen bis in die jüngste Zeit beherrschte und
der erst durch die Arbeiten von Urbantschitsch und Bezold aufgeklärt wurde.
Dass manche Zöglinge der Taubstummenanstalten brauchbare Hörreste besitzen,
wusste man von je her, und es wurde auch seitens vieler Lehrer davon Gebrauch
gemacht, indem sie in solchen Fällen den Unterricht vom Ohr aus zu Hilfe
nahmen. Nur unterschätzte man bisher die Zahl der hierfür geeigneten Schüler,
indem man alle Zöglinge, die bei der Aufnahme in die Anstalt mit Rufstimme
ins Ohr gesprochene Vocale nicht nachzusprechen vermochten, für vocaltaub
und folgerichtig auch für sprachtaub erklärte. Heute wissen wir, dass eine
grosse Anzahl taubstummer Kinder diese erste Probe nicht besteht,
obwohl sie die Elemente zum Sprachverständniss in den Bruch-
theilen ihres Tongehörs immerhin, wenn auch dürftig, besitzen.
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