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Gefahr, aus der gemeinsamen Kriegsnot, aus den gemeinsamen Kämpfen
und Siegen geboren, und ein mächtiges Gefühl der Zusammengehörigkeit
verband die deutschen Stämme vom Bodensee bis zur Ostsee. König
Wilhelm entzog sich dem Rufe des Volkes und der Fürsten nicht. Er
nahm die Kaiserkrone an. Am 18. Januar 1871 wurde er im Königs—
schlosse zu Versailles von den anwesenden deutschen Fürsten und Vertretern
des deutschen Heeres und Volkes unter lautem Jubel zum Kaiser aus—
gerufen, und so erfüllte sich nach langem Harren die Sehnsucht des
deutschen Volkes nach einem geeinigten deutschen Reiche.
Gleich am folgenden Tage begann der Kanonendonner von neuem.
Ein französisches Heer in der Stärke von 100000 Mann versuchte, beim
Mont Valerien, einer stark befestigten Anhöhe im Westen von Paris,
das Belagerungsheer zu durchbrechen. An der Seite des Königs von
Preußen war Prinz Luitpold Zeuge, wie dieses Heer von dem fünften
preußischen Korps zurückgeworfen wurde. So war nun der letzte Versuch
der belagerten Hauptstadt, sich der eisernen Umklammerung durch die
Deutschen zu entwinden, gescheitert, und es blieb ihr nichts mehr übrig,
als sich dem Sieger zu ergeben. Am 28. Januar 1871 wurden diesem
sämtliche Befestigungswerke rings um Paris ausgeliefert, und am 26. Februar
wurde zwischen Deutschland und Frankreich ein vorläufiger Friede unter—
zeichnet, den die nach Bordeaux einberufene neue Volksvertretung bestätigte.
Nunmehr war die Aufgabe des Prinzen Luitpold im Hauptquartier
des Königs von Preußen gelöst. Er hatte bei den Verhandlungen,
die zur Wiederaufrichtung des Kaiserreiches führten, die Interessen seines
Königs und seines Landes gewahrt, er hatte aber auch durch den
versönlichen Verkehr mit König Wilhelm ein festes und dauerndes Band
zwischen den Häusern Hohenzollern und Wittelsbach geknüpft und durch
sein ritterliches und gewinnendes Auftreten für sich selbst die Wertschätzung
und Freundschaft des neuen Kaisers erworben. Nach herzlicher Verab—
schiedung von demselben kehrte er über Straßburg, der Geburtsstadt seines
königlichen Vaters, die jetzt wieder in deutschem Besitze war, nach München
zurück. Nach mehr als siebenmonatlicher Abwesenheit traf er am 8. März
1871. vier Tage vor seinem fünfzigsten Geburtstag, daselbst wieder ein.
Hatte Prinz Luitpold seinen königlichen Neffen in dem großen Kriege
mit Fraukreich vertreten, so nahm die Vertretung desselben auch in den
nun folgenden Friedensjahren seine Zeit und Kraft vielfach in Anspruch.
Dazu kamen die mancherlei Anforderungen, welche der militärische Dienst
an ihn stellte. So hatte er auch jetzt wieder im Namen des Königs
Reisen zu unternehmen, in den Staatsratssitzungen den Vorsitz zu führen,
den Landtag zu eröffnen und zu schließen, im ganzen Lande Festungen