96 „Bei den Züricher Gastfreunden.
nun mit seinem alten Lehrer allein war und seine
Hand länger als sonst in der seinen festhielt,
schüttete er aus, was sein Herz bewegte, dass
die Liebe zu einem armen Mädchen ihn heim-
gezogen und ihn mit seiner Kindespflicht in Zwie-
spalt gebracht habe. Erleichtert schied der Jüng-
ling, der Lehrer betrübt.
Mit der Dampfschwalbe fuhren wir nach einem
der anmutigen Seedörfer. Es war herrliches
Wetter. Mutig durchschnitt das kleine Fahr-
zeug das klargrüne Wasser, welches, in seinem
sanften Wellenschlage gestört, schäumend empor-
spritzte und in hellen Tropfen zurücksank. Vom
Ufer her grüsste Stadt und Dorf, von der Höhe
Kilchbergs, durch die Bäume nach dem See
äugend, Konrad Ferdinand Meyers: Gütchen. In
Rüschlikon angelangt, durchschreiten wir das
Dorf und steigen durch leuchtende Matten und
Rebengelände nach einem Dörflein auf der
Höhe empor.
Welch herrlicher Blick! Unter uns der See,
auf dem ein Dampfer tiefe Furchen zieht, über
uns die dunklen Bergwälder und schier aus
leuchtendem Himmel herab die ehrwürdigen
Häupter der Hochalpen.
Der See hüllt sich in grauen Nebelflor. Ein
Wetter ist im Anzuge. „Macht nüd!“ beruhigte
der Gastfreund, doch eilen wir ans Ufer hinab.