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Raphael hatte ihn ebenbürtig genannt. Nürnberg's
Blüthezeit hatte auch Dürer mit auferzogen, und
wenn Venedig einen Tizian sein nennen durfte, dem
der Kaiser, in dessen Landen die Sonne nicht unter—
ging, den Pinsel von der Erde aufhob; wenn Florenz
ein Leonardo da Vinci ward, der in den Armen des
Siegers von Marignano starb, so konnte die freie
Reichsstadt Nurnberg mit Stolz den Ihren nennen
Albrecht Dürer, dem Kaiser Max die Leiter gehalten.
Der Vater des Meisters hatte zwar des Ruhmes
seines Sohnes nicht Zeuge sein können, er starb schon
im Jahre 1502 in der Mitternachtstunde vor St. Mathäi
Abend; doch war er nicht hinübergegangen, ohne
gewiß geworden zu sein, daß schweres häusliches
Unglück Albrecht belaste, daß dieser keine glückliche
Ehe geschlossen. Denn, wenn immer auch Agnes Frei
nicht jene Xantippe gewesen, wie insbesondere die Nach—
richten von ihr, welche Pirkheimer uns zurückgelassen,
sie schildern, so ist doch anzunehmen, daß sie hin—
wiederum nicht jenes Ideal einer Hausfrau und
liebenden Gattin gewesen sein mag, als welches
Lazarus Spengler und mit ihm mehr die neueren
Historiker des alten Nürnberg's und seines Dürer sie
darzustellen versuchten. Wenigstens dürfte mit nicht
zu bedenklicher Aengstlichkeit für gewiß zu nehmen sein,
daß Agnes nie voll begriffen, was Albrecht war und nie
zu reichen ihm vermochte, was es bedurfte, das große
Herz, so edlen Künstlerlebens voll. Wäre dem anders,
gewiß würde nach des Meisters Tode die trauernde
Wittwe weit minder gemeinkrämerisch mit dessen
hinterlassenen Kunstwerken verfahren sein, als es
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