Volltext: Verhandlungen der ... Wanderversammlung Bayerischer Landwirte zu Nürnberg vom 12. bis 15. Mai 1895 (32. (1895))

73 
findet auch heute noch — selbst bei schwereren Erkrankungen — 
Verpflegung im Hause der Dienstherrschaft, ohne daß ein Lohn⸗ 
abzug stattfindet; nach manchen Rechten, z. B. dem preußischen 
Landrechte, beruht die Gewährung der Krankenpflege unter Fort— 
dauer des Lohnes auf einer rechtlichen Verpflichtung gegenüber 
den Dienstboten, so ferne sich der Dienstbote die Krankheit im 
Dienste zugezogen hat. Es entsteht daher die Frage, wie es in 
diesem Falle mit der Auszahlung des reichsgesetzlichen Kranken— 
geldes gehalten werden soll. 8 137 des Reichsgesetzes vom 
5. Mai 1886 über die land- und forstwirtschaftliche Unfall- und 
Krankenversicherung sieht für diesen Fall eine entsprechende Kürzung 
der Krankenversicherungsbeiträge unter Wegfall des Krankengeldes 
vor, allein in der Praxis erscheinen diese komplizierten Vorschriften 
vielfach nur schwer durchführbar und dürfte die allerdings nicht 
strenggesetzliche Auszahlung des Krankengeldes an die Dienst— 
herrschaft als Äquivalent für die Verpflegung und Lohnfortzahlung 
nicht weiter zu beanstanden sein. Ohne diese Konzession erscheint 
überhaupt eine weitere Verbreitung der reichsgesetzlichen Kranken— 
versicherung in unseren bayerischen Landgemeinden ausgeschlossen. 
Im Großen und Ganzen liegt die Krankenpflege auf 
dem Lande — und damit natürlich auch die der Dienstboten 
und Taglöhner — noch sehr im Argen; welch erhebliche Nachteile 
dies insbesondere auch bei der Behandlung von Unfällen im Ge— 
folge hat, wird an entsprechender Stelle noch berührt werden. 
Die auf dem Lande üblichen „Krankenstuben“ verdienen meistens, 
soweit meine fränkischen Erfahrungen reichen, diesen Namen nicht; 
wer einmal in einem Gemeindehause einer ärmeren mittelfränkischen 
Gemeinde gewesen ist und die Bewohner und die Einrichtungen 
gesehen hat, wird zugeben, daß das kein passender Aufenthalt für 
einen gesunden, geschweige denn für einen kranken Menschen ist; 
dort wird der Gesunde krank, aber nicht der Kranke gesund. Aber 
auch wo es in Bezug auf Reinlichkeit und Bewohnerschaft besser 
bestellt ist, fehlt es an der nötigen Pflege und Bedienung, deren 
selbst bei leichteren Erkrankungen der Patient bedarf, und es könnte 
in dieser Hinsicht nur besser werden, wenn die Absichten des 
bekannten Pfarrers Faulhaber in Schwäbisch-Hall, des Vor— 
standes der dortigen Diakonissenanstalt, sich in weiterem Umfange 
realisieren ließen, nämlich die Gemeindediakonie auch auf dem
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.