Volltext: Albrecht Dürer

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Sechstes Kapitel. 
Agnes stand still in der Fensternische und ließ die Augen 
auf die Straße hinausgehen, als hätte sie mit der Sache nichts 
zu thun. Da sie ihm aber beim Abschied die Hand reichte und 
sprach: „Die lieben Heiligen mögen Euch behüten auf allen 
Euren Wegen“, da sah der Albrecht eine Thräne in ihrem Auge 
glänzen, und für diese Thräne hätte er ihr laut danksagen 
mögen, denn in derselben verriet sich ihm ihr Herz: er wußte 
jetzt, was er so gerne schon hätte wissen mögen, und erhob mit 
getrostem Mute das Haupt — das bitterste Weh des Scheidens 
war jetzt überwunden. — 
An demselben Abend saß in dem Haus des Meisters Dürer 
die Familie noch lange bei einander. Die Eltern hatten ihren 
ältesten Sohn zwischen sich, und rings um den Tisch saßen die 
andern Kinder. Allen war das Herz sehr schwer. Es galt ja 
einen Abschied auf Jahre — und wer konnte wissen, ob der 
Heimkehrende die Seinen noch alle unter den Lebenden treffen 
würde? Wie rasch tritt oft der Tod den Menschen an! Und 
überdem galt es einen Gang in schwere Gefahren. Hinter den 
Hecken die Wegelagerer, in den Wäldern die Räuber, in den 
Schluchten die Stegreifritter sperrten allenthalben dem Wanderer 
den Weg, und dazu in den Herbergen das lose Gesindel war 
durchaus nicht dazu angethan, auf die Seele des unerfahrenen 
Jünglings einen heilsamen Einfluß zu üben. 
Der Vater holte, nachdem er dem Sohne mit dem ganzen 
Ernst väterlicher Fürsorge eine Reihe guter Lehren und Mah— 
nungen gegeben, das Gebetbuch vom Gesims und suchte darin, 
bis er etwas Schickliches fand, das betete er mit ganzer Inbrunst 
seines frommen Gemüts, worauf die übrigen mit einem an— 
dächtigen Amen antworteten. 
Am andern Morgen — es war etliche Tage nach dem 
Osterfest, den 11. April, klopfte es schon sehr früh an Meister
	        
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