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Drittes Kapitel.
Eltern, die sich in Gunsterweisungen überboten und ihn mit
Wohlthaten überhäuften. War es doch Herrn Johann Pirk—
heimers sehnlichstes Herzverlangen, daß der Sohn, wie er
selbst, ein Gelehrter werden und sich im Reich des Geistes her—
vorthun möchte.
Nach Ablauf eines Jahres wußte der Knabe bereits in
der Geschichte des wieder aufgelebten klassischen Altertums guten
Bescheid und hatte auch von der lateinischen Sprache Erkleck—
liches inne.
Seltener denn sonst hallte jetzt der Hof des Pirkheimer—
schen Hauses von dem Lärm der spielenden Knaben wieder.
Die beiden hockten am Nachmittag, wo es keinen Unterricht
gab, in dem Schulzimmer an dem mitten inne stehenden großen
Eichentisch bei einander, und Albrecht lauschte mit der gespann—
testen Aufmerksamkeit den Erzählungen Wilibalds. Was dieser
am Vormittag gelernt, das teilte er mit dem Freunde ebenso
getreulich wie die Leckereien, welche ihm die Mutter spendete.
Die alten Götter- und Heldenmären der Griechen waren es,
welche Albrechts Interesse besonders wachriefen, und er vergaß
alles um sich her, wenn ihm der Wilibald erzählte von dem
Helden Herkules, von dem an den Felsen geschmiedeten Pro—
metheus, dem der Adler Jupiters die immer wieder wachsende
Leber täglich ausfraß, von dem Argonautenzug nach dem gol—
denen Vlies, von dem Krieg der Sieben gegen Theben, von
den beiden Freunden Orestes und Pylades, von dem trojanischen
Krieg, von dem Odysseus und andere herrliche Geschichten.
Bald wollte Wilibald bemerken, daß Albrecht unter diesen
seinen Mitteilungen immer stiller und ernster und in sich ge—
kehrter ward. Er fragte ihn endlich, was ihm sei, und Albrecht
antwortete mit einem tiefen Seufzer: „Ich neide dich.“