Gestilltes Sehnen.
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zu Grunde ginge, sich aus jedem Kieselstein einen Martinus
erwecken könne.“
In Dürers Seele kreuzten sich die Empfindungen: Rüh—
rung und Herzerhebung begegneten sich mit dem Unmut über
sein Mißgeschick, die rechte Stunde verfehlt zu haben. Endlich
fragte er, ob Luther sich nicht geäußert habe, welchen Rückweg er
nehmen werde, falls die bösen Anschläge der Römischen an ihm
zu Schanden würden, mußte aber hören, daß Luther dessen mit
keiner Silbe gedacht habe. —
Mit der äußersten Spannung wartete nun in Nürnberg
alles und Albrecht Dürer ganz besonders auf Botschaft aus
Augsburg, doch widersprachen sich die von dort kommenden Mel—
dungen gar sehr. Die einen redeten von einem gnädigen Em—
pfang, den Luther beim Kardinal gefunden, die andern wollten
wissen, daß der päpstliche Legat ihn hart angelassen und die
Äußerung gethan habe, die Bestie mit den tiefen Augen wolle
er nicht mehr sehen.
Da kam am 16. Oktober spät abends Wenzel Link, der
den Luther gen Augsburg geleitet, zurück — allein, und erfüllte
durch seine Mitteilungen die Stadt mit Furcht und Angst. Er
habe fliehen müssen, sagte er aus, da er sich seines Lebens nicht
mehr sicher gefühlt, und was es mit dem Luther, der noch eine
Appellationsschrift einreichen wolle, für einen Ausgang nehmen
werde, das möge Gott wissen.
In dem Hause des Herrn Kaspar Nützel sammelten sich die
Adelsgeschlechter und andere angesehene Leute, die hielten Ab—
sprache, was zu thun sei, wenn's zum Äußersten käme mit dem
Luther, wußte aber keiner etwas Rechtes zu raten. Auf den
Gemütern lag eine bange Schwüle, niemand gedachte seiner
Arbeit, selbst die Ratssitzungen konnten nicht abgehalten werden
bon wegen des Abwesens der meisten Ratsherren. —
Stein, Albrecht Dürer.