Aus Nacht zum Licht.
181
Dürers Werkstatt war verödet, sie bekam den Meister nim—
mer zu sehen. Droben saß er in seinem Stüblein und hatte
die Thür hinter sich abgeschlossen; nicht einmal sein Weib durfte
zu ihm: er wollte allein sein mit seinem Gott im Ringen nach
Licht und Klarheit.
Und siehe, der Kampf endete mit einem Sieg: der Doktor
Martin Luther hatte ihm die Binde von den Augen genommen,
er wußte jetzt das, was jedem Christenmenschen zu seiner See—
len Seligkeit vor allen Dingen zu wissen not ist, daß Gottes
Gnade in Christo allein und nichts anderes es sei, darauf der
Mensch die Hoffnung seines ewigen Heils zu gründen habe. Da
stand es ja deutlich und klar: der Papst kann Ablaß geben nur
für dasjenige, was er selbst aufgelegt hat: die zeitlichen Kirchen—
strafen; in den Himmel und die Hölle reicht seine Macht nicht,
und es ist ein Wahn, wenn das Volk das seinen Boten, den
leidigen Ablaßkrämern, glaubt. Der Papst kann keine Sünden
vergeben und keine Höllenstrafen tilgen, er vermag weiter nichts,
als den Menschen das zu verkündigen, was Gott aus Gnaden
um Christi willen denen thut, welche recht von Herzen Buße
thun. Wenn ein Mensch wahrhaftige Reue hegt, so kommt
ihm völliger Erlaß von Schuld und Strafe auch ohne Ablaß—
briefe zu.
Diese Botschaft war für Dürers Seele wie Morgentau auf
die lechzende Flur. Er war bisher ein so ernster, eifriger Christ
gewesen, er konnte hinweisen auf eine stattliche Zahl guter, von
der Kirche geforderter Werke und hatte doch in ihnen nicht ge—
funden, was er suchte. Jetzt auf einmal sah er den ganzen
Werkdienst mit andern Augen an: nicht verdienen, sondern aus
Gnaden geschenkt bekommen, das hatte ihm Luther gepredigt,
und das war ihm eine selige Botschaft: das unruhige Herz fand
nun auf einmal Ruhe, die geängstete Seele auf einmal Trost.