Volltext: Albrecht Dürer

Aus Nacht zum Licht. 
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„Leset! Leset!“ drängte Kaspar Nützel in den Kanzler, und 
dieser folgte alsbald der Aufforderung, während die andern sich 
um ihn drängten und lauschten. 
Er war noch nicht gar weit gekommen, da rief Dürer 
plötzlich dazwischen: „Hilf Gott, mir wird so bang!“ Und er 
trat ans Fenster und preßte beide Hände gegen die Brust. 
Scheurl winkte schnell einem Diener, einen Krug frischen 
Wassers herbeizubringen, da wehrte Dürer ab: „Das Wasser 
vermag's nicht, leset weiter, weiter!“ 
Scheurl fuhr fort, und mit jedem Satze steigerte sich der 
Hörer Spannung. 
Als er endlich geschlossen, entstand zunächst eine tiefe, feier— 
liche Stille, dann rief Herr Hieronymus Holzschuͤher: „Das 
Mönchlein ist ein Prophet des Höchsten, er hat den Mund auf— 
gethan zum Zeugnis der Wahrheit. Siehe, wie Schuppen fällt 
es mir anjetzo von den Augen! Lange schon bin ich im Geist 
ergrimmt gewesen über das Unwesen, so die Ablaßkrämer trei— 
ben, doch mehr über die schamlose Ausraubung des Volks. Nun 
aber höre ich, daß der Ablaß überhaupt, wie ihn der Papst 
treibet, vom Übel ist, auch wenn kein Geld dabei gefordert 
wird.“ 
Herr Hieronymus Ebner fiel dem zu, meinte aber, indem 
er plötzlich sehr ernst ward, „den Hus haben sie verbrannt, den 
Savanarola desgleichen, vielleicht lodert bald ein dritter Schei— 
terhaufen!“ 
„Das wolle Gott nicht!“ fuhr hier Dürer auf, und sein 
Gesicht färbte sich mit tiefem Rot. „Soll's denn noch nicht 
Zeit sein, daß sich der Herrgott seiner armen Christenheit er— 
barme? Dem Martin Luther hat meine Seele zugejauchzet, seit 
ich etwas von ihm vernommen, und in mir sprach's: der ist's, 
der hat die Wahrheit! Sollte es Gott abermals zulassen, daß 
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