Siebzehntes Kapitel. Noch einmal in der Lagunenstadt. 123
ßiebzehntes Rapitel.
och einmal in der Lagunenstadt.
Auf dem Söller ihres Palasts am Markusplatz lag an
einem schönen, warmen Februartag des Jahres 1506, auf einen
weichen Polsterstuhl gebettet, Signora Bella, die Gemahlin des
Marchese Rinaldi, und atmete in vollen Zügen die frische, bal—
samische Frühlingsluft. Sie war von einem monatelangen, schwe—
ren Krankenlager erstanden, und der Sonnenschein sollte ihr
helfen zu schnellerer Genesung.
Neben ihr stand eine Dienerin, die mußte ihr erzählen,
was sie Neues wußte aus der Stadt, denn nach langem, dumpfem
Hinbrüten hatte seit einigen Tagen die Signora wieder Interesse
gezeigt an der Außenwelt.
Da nahten Tritte, und auf dem Söller erschien ein Greis
in langem, schneeweißem Bart, eine edle, vornehme Gestalt. Es
war der Ohm der Signora und ihr väterlicher Freund, der ihr
während ihres langen Siechtums die wärmste Teilnahme bewie—
sen hatte und fast täglich an ihrem Schmerzenslager erschie—
agen war.
Sein Gesicht verklärte sich, da er die Aufmerksamkeit wahr—
nahm, mit welcher die Kranke den Mitteilungen der Dienerin
lauschte, und er gab seiner Freude in herzlichen Worten
Ausdruck.
Hinter ihm stand ein Diener mit einer Mappe. Er nahm
sie demselben ab und brachte sie der Signora. „Hier bringe ich
dir, liebste Bella, was dir einige Kurzweil schaffen wird. Es ist
lange her, daß du für die Kunst kein Auge mehr hattest.“
„Dank, Dank, liebster Ohm“, versetzte Bella, und die kleine,
magere, marmorbleiche Hand griff nach der Mappe. Da zeigten