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Im Glauben an die Barmherzigkeit, die Gott in seinem
Worte verheißt, fand Cuther Heilsgewißheit, Freudigkeit
und Freiheit. Bei Linck zeigt sich diese Glaubenszuversicht
in ungetrübter Form. „Darum finden wir keinen Grund
zu Ruhe der Gewissen also lange, bis wir unsere eigene
Vernunft, Willen, Verdienst, Werk und alle Kreaturen ver—
leugnen und hintenan setzen und durch den Glauben allein
auf den Willen und Wort Gottes bauen. — Darum so du
dein Herz und Gewissen zu Ruhe stellen und gründen willst, ist
dir not, daß du dein Vertrauen nicht auf dich selbst, noch keine
Kreatur, sondern allein auf Christum, den Herrn, gründest“,
heißt es im 7. Sermon und im 9.: „Darum sollst du allein
auf diesen Berg dein Vertrauen setzen und nicht auf die
hoffärtigen, aufgeblasenen Menschen, ja auch nicht auf
irgenderley Heiligen“.
Luther führte diese Heilsgewißheit zu kräftigem Wirken
auf die Welt. Anders Linck. Die Einsicht in die Schäden
der Kirche und ihrer Diener, die er offenbar hat, bringt
bei dem nach Art eines Tauler mystisch angelegten Mönch
keine Auflehnung, keinen Protest hervvr, sondern ein stilles
Dulden. „Darum, wenn dir Gott einen schnöden, einfältigen
Menschen vorsetzt zum Prälaten, gedenk, daß es geschehe
dir zur Demütigung, auf daß in dir werde zerbrochen die
Hoffart, so du siehest, wie Gott nicht um Gunst, Ehre und
Gewalt ꝛc. der Welt, sondern aus purer, lauterer Gnade
erwählet die Seinen“, predigt er im sechsten Sermon. —
Luther rief in seinen Resolutionen laut nach einer Refor⸗
mation der Kirche; Wenzels Bestreben ist lediglich darauf
gerichtet, die Christen zum Guten zu ermahnen, ihnen die
Hoffart der Kirchendiener als in stiller Duldung zu tragende
Prüfungen Gottes darzustellen und sie zu beruhigen, daß