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die augsburger Akten und mit diesen alle Schriften und
Schreiben der letzten Zeit übersendet, erfahren wir hier,
gegen ihm spricht er auch zuerst seine geheimsten Ahnungen
über die römische Kurie aus: „Du magst zusehen, ob ich
mit Recht ahne, daß jener wahrhaftige Antichrist, von dem
Paulus (2. Thes. II, 8 ff.) redet, am römischen Hofe regiert:
ich glaube nachweisen zu können, er sei heute verderblicher,
als der Türke“. 194) Das wagt er in jener Seit noch keinem
andern zu sagen, als eben Linck, von dem er sich verstanden
weiß, den er erprobt hat. Linck ist, wie der Brief zeigt.
sein Vermittler mit Augsburg, mit Staupitz, kurz der Ver
breiter Cutherischer Interessen im ganzen Süden!30) und
halb scherzhaft halb ernsthaft nennt er ihn in der Aufschrift:
„Wenceslaum Sinistrum, Theologum dextrum, sibi in
Christo suspiciendum Maiorem — er beiße Linck und sei
doch ein rechter Theolog, zu dem er in Christo aufblicken
müsse“. Da kann nicht wohl von einer Beargwöhnung der
Haltung Lincks die Rede sein.
Die Nürnberger erwarteten sehnlichst die Ankunft der
Augustiner. Gleich nach ihrem Eintreffen drängte sich alles
um sie und insbesondere der Besuch des Oberhauptes der
Congregation ermsöglichte, im Falle der Not entscheidende
Schlüsse in Betreff Cuthers zu fassen.86) Täglich versammelte
man sich in dem Augustinerkloster und so sehr sah selbst
der kurfürstliche Hof von den Entscheidungen der Sodalitas
Cuthers Zukunft abhängig gemacht, daß Scheurl dem Sekretär
Friedrichs, Spalatin, kurzer Hand mitteilte: „Was von uns
in der Martinschen Angelegenheit nach stattgefundener Be—
ratung beschlossen ist, werde ich dir dann übermitteln“. 187)
Um den 23. Oktober traf Luther selbst in Nürnberg ein
und stieg in Pirckheimers Hause ab, wo er nach den An—