bilden; sie fand ihr besonderes Organ in den Fastnachtsspielen,
die in Nürnberg mit besonderer Vorliebe gepflegt wurden. In
kecker Weise werden darin die Schäden des Staates und der
Kirche behandelt, wenn zum Beispiel der „grossmächtige türkische
Kaiser“ in eigener Person den Reichsständen ihre Sünden
vorhält.
Unter solchen Umständen war es natürlich, dass ein refor-
matorischer Geist hier besonders früh um sich griff. Als im
Frühjahr 1516 ein Ablass verkündet werden sollte, wurde der
Legat von den Bürgern bereits verspottet wegen der Netze, die
er den Christen stelle. Der Rat selbst fand die Artikel der
Ablassbulle, die ihm von der Ablasscommission mit der Bitte
um Zulassung zugestellt wurde, „einander widerwärtig und also,
dass das Führnehmen mehr zur Verführung des gemeinen Volkes,
denn zu einiger Förderung ihrer Seelen diene“. Er beauftragte
daher den Ratsfreund Groland, beim Kaiser ein Verbot dieses
Ablasses zu erwirken!). Man erreichte wenigstens durch die
vielen Hindernisse, die der Sache in den Weg gelegt wurden.
lass die Commission abzog.
Ebenso widersprachen Rat und Geistlichkeit 1518 einer
neuen Ablassverkündigung mit Berufung auf den Ordinarius der
Diöcese Bamberg, der Nürnberg zugehörte, den staatsklugen,
humanistisch gebildeten Bischof Georg Schenk von Limburg.
Schliesslich gestattete der Rat den Ablass wahrscheinlich, um
vom Papste die Erlaubnis zur Verfolgung von Totschlägern in
die Kirchen zu gewinnen. Ein neuer päpstlicher Ablass wurde
November 1518 nach einer Anfrage beim Bischof verkündet;
der Rat jedoch wohnte der Verkündigung nicht bei.
Aber auch in positiver Weise äusserte sich bereits vor
Luther’s entscheidender That ‘der reformatorische Geist. Seit
Herbst 1516 predigte Staupitz oft im Augustinerkloster über
die göttliche Gnadenwahl und die Rechtfertigung. Die gewaltige
Wirkung seiner Predigten zeigt die ausgebreitete Correspondenz
Dr. Scheurl’s, des berühmten Rechtsconsulenten des Rates. Auch
wenn wir die überschwengliche, rhetorische Ausdrucksweise
dieses Humanisten in Betracht ziehen, ergiebt sich aus seinen
Mitteilungen genug. Die Kirche fasste kaum die Menge der
Zuhörer; die Predigten erschienen sogleich deutsch und lateinisch
im Druck %. Merkwürdig ist es, dass in Nürnberg die Patricier
die neue Lehre mit Eifer ergriffen, während sie sich in den
anderen Städten derselben widersetzten. Eifrig folgte man der
‘) Strobel, Miseell. 3, S. 47.
?) Scheur!’s Briefbuch, herausgeg. von Soden und Knaake, 2. Januar
1517, an Imther S. 1: & Jannar 1518. an Güttel S. 48.