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passiven Gehorsam, von welcher Luther selbst faktisch abfiel,
und wies jede Teilnahme an einem Bunde ab, der jetzt offenbar
gegen den Kaiser selbst sich richtete. Allen Reichspflichten
kam die Stadt nach, um in der einen Frage des Gewissens un-
beugsam gegen Katholiken und Zwinglianer zu bleiben.
Am 15, Mai kamen die Nürnberger Reichstagsgesandten
Kress und Volkamer in Augsburg anl), versehen mit einem
Glaubensbekenntnis, das die Nürnberger Theologen auf des
Rates Geheiss aufgesetzt hatten. Von Nürnbergs religiöser
Stellung wurde unter den Reichsstädten zunächst an Ulm, jedoch
erst am 24. Juni, Mitteilung gemacht ?); zu dem sächsischen
Kanzler begab sich Kress bereits am 16. Mai, um sich wegen
der Glaubenssachen zu erkundigen; denn die Gesandten hatten
die Instruktion %, zum Churfürsten und Markgrafen zu stehen
und der Zwinglianer zu entsagen. Der Markgraf war noch nicht
anwesend; er versprach auf des Rates Bitte, nach Augsburg zu
kommen und mit ihm und Sachsen gemeinsam zu handeln %).
Der sächsische Kanzler versprach den Nürnbergern die Mitteilung
des sächsischen Entwurfes eines Glaubensbekenntnisses, sobald
er von Luther zurück gekommen sei 5), wogegen die Nürnberger
sich sogleich erboten, den theologischen und einen etwa ein-
treffenden juristischen Ratschlag der Stadt den Sachsen zu über-
mitteln, Melanchthon fand den Nürnberger Ratschlag dem
sächsischen gleichartig, letzterer war nur glimpflicher abgefasst 9),
Auch der Gesandte Reutlingens, der erst am 21. Mai ein-
traf, erklärte, dass die Stadt im Glauben sich zu Sachsen und
Nürnberg halten wolle 7) und übergab ein Glaubensbekenntnis
Reutlingens in 22 Artikeln; es war dem sächsischen conform 5).
Gleich bei der Ankunft der Gesandten ward der später so oft
wiederholte Verdacht gegen die Nürnberger rege, dass diese ent-
schlossensten Anhänger des Evangeliums dasselbe durch An-
nahme des Speirer Abschiedes preis geben wollten. Nürnbergs
Verhalten auf dem letzten Convente zu Nürnberg und die Ge-
sandtschaft an den Kaiser konnte den Verdacht bestärken. Am
16. Mai berief der Landgraf Kress zu sich; dreimal liess er
sich die Versicherung geben, dass Nürnberg den Abschied
keineswegs heimlich angenommen habe ®). Darauf setzte der
Landgraf auseinander, dass es den Reichsständen überhaupt
nicht zustehe, über Glaubenssachen eine Entscheidung zu treffen :
‘) Die Nürnberger Gesandten an den Rat, Corpus Reformatorum,
{I, 690. 2) C. R. II, 788, 3) C. R. II, 715. 725. *) An Branden-
burg, 14, Mai; an die Gesandten, 18. Mai, Bb, 113. 5) C, R. 691.
8) C. R. 693. ?) C. R. II, S. 694. ®) Bei Gayler, Reformations-
geschichte von Reutlingen, S. 350—59. % CC. R. IL 690.