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Das heißt Schönheiten aufsuchen!“! In diesen Ausruf stimmen wir
freilich nicht mit ein.
Mit solcher über das Ziel schießenden Begeisterung war der
Sache natürlich nicht gedient. Aber das geplante Unternehmen zog
in der literarischen Welt seine Kreise, Hans Sachs stand wirklich
wieder im Vordergrunde vielseitiger und ernster Erörterung und aus
all den Stimmen, die unbefangen im Urteil sind, geht hervor, daß
man ihm eine hervorragende Stelle in der Geschichte der deutschen
Literatur zuerkennt. Diese Äußerungen bilden einen wertvollen
Beitrag zur Kenntnis des deutschen Literaturlebens. Daß bei einem
Dichter, der ein so ausgeprägt volkstümliches Empfinden in sich trug
wie Gottfried August Bürger, für Hans Sachsens Dichtungen ein
richtiges Verständnis vorhanden war, darf nicht wundernehmen.
Jharakteristisch für Bürger ist aber auch der Ton, in dem. er
Bertuch seine Teilnahme in einem Briefe aus Wöllmershausen vom
18. Juni 1778 kundgibt: „Mit Freude habe ich Ihr Vorhaben: von
Hans Saxius omnia sua secum portans wieder aufmarschieren ge-
‚esen. Das wird den classischen ästhetischen philosophunculis einmal
cecht wieder in den Nasen kriebeln. Bravo! Ich wollte, daß alles das
teschmeis sich zu Tode niesen müßte. Mich haben sie zum Abon-
nenten, Lebte ich in einer Gegend, wo was anzufangen wäre, so
wollte ich wohl mehr schaffen.“ * Mit dem „Kriebeln“ hatte Bürger
nicht so ganz unrecht, In dem Patriarchadensänger Bodmer wenigstens
war der Groll gegen Hans Sachs noch nicht erloschen, und als er
aun gar Hans Sachs im Kreise der jüngeren Dichter eine neue
jestalt bekommen sah, da schrieb er zürnend an Schinz: „Zu
welcher Unverschämtheit steigen die Göthe, Wieland, Bertuch! Sie
arklären Hans Sachs zum hohen Dichtergenie, zum Spiegel der
Natur, zum herrlichsten Schaz aus dem Mittelalter der deutschen
Dichtkunst, zum _ Meister der Poeten. .... Zum Manessischen Codex
hab ich nicht 6 Subseribenten in Deutschland aufgejagt: und
weder Klonstok noch Wieland haben die nativam Dpuleritudinem
1 Murr, Denkmaal zur Ehre des sel. Herrn Klotz. Frankfurt und
Leipzig, 1772, S. 72, 76, 80.
2? Ludwig Geiger, Der Dichter der „Leonore“ und Friedrich Justus (!)
Bertuch, in Vom Fels zum Meer, Stuttgart, 1. Bd., 1883—84, 8. 167. Diese
Stelle ist jetzt auch gedruckt bei Wilhelm Feldmann. Friedrich ‚Justin
Bertuch. Saarbrücken, 1902. 8. 15.