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Der Versuch, diesen „duytschen Hans“ des Chronisten mit einem gewissen
Hans Singher zu identifizieren, der 1544 in Antwerpen lebte, ist seit den Erörterungen
von Ruelens und von Crowe und Cavalcaselle über diesen Punkt als gescheitert
zu betrachten.
Gestützt auf die Angabe van Vaernewycks nahm ich meinerseits seit 1881
Jie Hypothese von dem deutschen Ursprung Memlings, die man 1871 infolge von
Weales Buch fallen gelassen hatte, wieder auf und richtete meine Nachforschungen
auf den Ort, welcher heute Mömlingen heisst. Es ist ein Pfarrdorf von 1550 Ein-
wohnern, am Mümling, einem Zufluss des Main, 64 Kilometer südöstlich von Mainz
gelegen. Einst zum Erzbistum Mainz gehörig, kommt es schon 974 als Miminingen
vor. Seit 1814 ist es bayerisch. Die Formen des Namens, unter welchem es
erscheint, sind sehr mannigfaltige; es heisst (nach den Mitteilungen des Herrn
Georg Englert, kgl. Bibliothekars zu Aschaffenburg) bald Miminingen, bald Momlingen,
Mimilingum (Akkusativ), Mimilengen, Mimlingen, Momblingen, Mömlingen etc.
Was sagen nun die Brügger Archive? Weale und Gilliodts haben bei ihren
mühevollen Nachforschungen neunzehn verschiedene Schreibarten des Namens
anseres Künstlers gefunden (Memlinc, Memlync, Meenlync, Meenlyncx, Meenlincx,
Meynlync, Menlyncx, Menlync, Meenlinc, Meelinc, Merlinc, Menelinc, Menelic,
Memmelinc, Memelinc, Memelync, Memmelync, Memelyncx und Memmelin), denen
noch folgende vier, die für mich hier von besonderer Wichtigkeit sind, hinzugefügt
werden können:
Um 1480 „Johes van Memlync“ (aus den Rechnungen der Kirche des
hl. Donat).
1480 „Jan van Memmelynghe“ (aus dem Register der Meister und Lehr-
linge der Malergilde).
1483 „Jan van Memmelyncghe“ (ebendaher).
1491 „Johane van Meenlinc“ (aus den Rechnungen von St. Donat).
Hier haben wir also vier Erwähnungen des Namens, bei denen vor dem
Worte Memling noch ein „van“ steht. Es ist wahrscheinlich, dass der Künstler,
als er seinen Namen zum Zweck der Eintragung in die genannten beiden Bücher
angeben sollte, erklärt hat, er nenne sich Hans oder Jan und sei aus Memelingen
gebürtig. Die Präposition van in den Eintragungen von 1480, 1483 und 1491
schwand später infolge vorgenommener Kürzung, ebenso wie das von, bezw. van,
vor Namen wie Cranach, Schoorel, Heemskerk und Breughel im folgenden Jahr-
hundert geschwunden ist. Aber wie man andererseits noch sagt Hubert und
Jan van Eyck, ebenso, mit demselben Rechte, könnte man auch noch sagen
Hans van Memeling, Ich möchte indessen weder vorschlagen, dass die Präposition
van wieder aufgenommen werde, noch dass man zu der alten dreisilbigen Schreibung
„Memeling‘“ zurückkehre. Zwar ist diese Schreibung die allein richtige, da das
Wort von Memelingen kommt, aber die veränderte Form Memling ist einmal
angenommen und kann nicht mehr abgeändert werden. —
Am Schlusse seiner Mitteilung über Hans Memling besprach der Vortragende
noch ein grosses, wenig bekanntes Altarwerk des Meisters, das sich jetzt in der
Sammlung Stein zu Paris befindet: die Erscheinung des Erlösers am jüngsten Tag
mit Chören musizierender Engel zu beiden Seiten, — jedenfalls ursprünglich bestimmt,
eine Grabkapelle zu schmücken. Das Triptychon stammt aus dem Kloster Najera
in Spanien, trägt die Wappen von Kastilien und Leon und war die Bestellung eines