Inhaltsverzeichnis: Albrecht Dürer

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Er sucht die Sitte auch in seiner Heimat einzubürgern und huldigt 
ihr in den ersten Jahren mit sichtlichem Stolze, bis ihn die Er- 
fahrung belehrte, dass der Erfolg die angewandte Mühe nicht lohne. 
In der Wahl des grossen Massstabes liegt aber nicht der einzige 
Wiederhall Italiens. Wir erinnern uns, dass die in ihm ruhende 
Freude an mächtigen, kraftvoll bewegten Formen durch die Kenntnis 
Mantegnas gezeitigt wurde. Dieses Vorbild wirkt noch länger nach. 
Bei dem Sohne des Nordens knüpfte sich aber unwillkürlich daran 
ein phantastischer Zug. Der nordischen Volksscele hängt leicht die 
Neigung an, das rechte Mass zu überschreiten. Wir steigern gern 
das Grosse zum Riesigen, wandeln das Mächtige in das Unheim- 
liche und lassen die kräftige Empfindung an die Grenze finsteren 
Ernstes fortschreiten. Solcher Neigung bot die Apokalypse reich- 
liche Nahrung. Insofern darf man annehmen, dass persönlicher 
Kunsttrieb Dürers Wahl bestimmte. Es waren aber gewiss auch 
äussere Umstände mitthätig. Seit mehreren Menschenaltern hatten 
Pestilenz und Türkennot die Gemüter aufgeregt und mit finsteren 
Ahnungen erfüllt. Der Tod offenbarte sich als unerbittlicher Herr 
und Gebieter, dem Frommen und Gläubigen schien das Reich des 
Antichrist drohend zu nahen. In diesen Zeiten kamen die Toten- 
tanzbilder auf, es gewannen für die arg geängstigte Menschheit die 
Visionen der Apokalypse neues Leben. In den Blockbüchern, den 
Tafeldrucken, in welchen Bild und ein kurzer Text aus einem Holz- 
blocke zusammen geschnitten wurden, stossen wir wiederholt auf 
ausführliche Darstellungen aus der Offenbarung. In Nürnberg wurde 
eine solche Bilderfolge noch um das Jahr 1460 hergestellt. Nicht 
minder beliebt waren die apokalyptischen Bilder in den illustrierten 
Bibeln. So sparsam die Kölnische Bibel 1480 und die Nürnberger 
bei Koburger gedruckte Bibel 1483 die Bücher des Neuen Testa- 
mentes mit Holzschnitten schmücken, so eifrig sind sie darauf be- 
dacht, die Visionen der heimlichen Offenbarung durch Bilder an- 
schaulich zu machen. Dürer durfte demnach für sein Werk auf die 
Teilnahme weiterer Kreise hoffen. 
Bei der Auswahl der Szenen hielt er sich im ganzen an die 
Nürnberger Bibel. Doch war er weit entfernt, etwa ihre Bilder 
nur in grösserem Massstab zu wiederholen, auf eine selbständige 
Durcharbeitung der einzelnen Szenen zu verzichten. Er ging viel- 
mehr vom genauesten Studium des Textes selbst aus, suchte die 
Worte desselben in greifbare Formen zu fassen und verlieh ausser- 
dem jeder Darstellung das Gepräge seines persönlichen Geistes.
	        
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