Soziale Fürsorge
89
von Siedlungen: a) die Gartenstadtsiedlung Einfamilienhäuser mit Gartenland für
den Gemüsebau), b) die Ländliche Siedlung in der Nähe der Großstadt
(Einfamilienhäuser mit etwa 1 Tagwerk Land für Gemüsebau, Obstbau und Kleintierzucht),
c) die landwirtschafthiche Siedlung mit entsprechendem Grund und Boden
für Ackerbau und Viehhaltung.
Da die Begründung von landwirtschaftlichen Siedlungen durch das Fehlen geeigneter
Shdländereien und Moore in Nordbayernnur durch Heranziehung des Großgrundbesitzes möglich
ist, so wollte die Siedlungsstelle die Einräumung des Rechtes der Enteignung und die
Erteilung der Funktion als Landlieferungsverband anstreben.
Die Kosten für die Wohnungsbauten in ganz Nordbayern schätzte man auf 200 ooo ooo M.
Man glaubte die Finanzierung bewerkstelligen zu können aus den 51956 Millionen M, die am
2. April 1919 durch eine Bekanntmachung des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Hoff—
mann zur Behebung der Arbeitsnot ausgeworfen worden waren.
Am 13. März 1919 wurde mit etwa 370 Arbeitern ans Werk gegangen. Die erste Taãtig
keit war die Fällung des Baumbestandes in dem mit raschem Entschluß als Baugrund ausge—
wählten Gelände im Reichswalde bei Ziegelstein. Erhebliche Schwierigkeiten bereitete dabei
zunächst, wie bei allen ähnlichen Unternehmungen, die Beschaffung der erforderlichen Geld—
mittel. Es mußte anfangs das Kommando des III. A.K. entsprechenden Kredit geben.—
Es ist klar, daß sich unter den geschilderten Verhältnissen bald die Notwendigkeit er—
geben mußte, das spontan aus den Bedürfnissen des Augenblicks heraus entstandene so ziale
Revolutionswerk in rechtlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht auf eine gesunde Grund—
lage zu stellen. Man schuf zu diesem Zwecke am 2. Mai 1019 als Korporation des öffentlichen
Rechtes unter Beteiligung des Staates, des Kreises Mittelfranken und der Stadt Nürnberg
den Zweckverband: „Sie dlungswerk Nürnberg“ und wies ihm die Aufgabe zu,
vorstädtische Siedelungen bei Nürnberg zu errichten. Das Verbandsvermögen wurde auf
s5 ooo ooo M festgesetzt, wovon nach dem satzungsgemäßen Beteiligungsverhältnis der Staat
3 ooo ooo M, der Kreis Mittelfranken und die Stadt Nürnberg je 1 ooo ooo M aufzubringen
hatten. Als Organe des neuen Unternehmens wurden ein Vorstand und ein Verwal—
tungsrat bestellt. Als Vorstand berief man den städtischen Finanzassessor Dr. Eickemeyer
und den früheren Geschäftsführer in der Bauabteilung der Siedlungsstelle für Nordbayern,
Strößner-NAürnberg.
Zur wirtschaftlichen Sanierung des Werkes waren zunächst zu erledigen
die Frage des Bauprogrammes, das Arbeiterproblem und die Frage der
finanziellen Bewertung der Aktiva und Passiva der übernom—
menen Siedlungsstelle.
Die Leiter der früheren Siedlungsstelle hatten anfangs die Absicht, 2800 Wohnungen
noch im Laufe des Jahres 1919 zu erbauen; später traf man dann indessen die Einschränkung,
sich mit 2 im ganzen etwa halb so großen Siedlungsprojekten im Gebiet des Reichswaldes im
Norden der Stadt zu begnügen. Auf dem Siedlungsgelände J an der Ziegelsteiner Straße,
anschließend an die Stadtgrenze bei Herrnhütte, im Ausmaße von 46 ha, sollten mindestens
700 Einfamiliensiedlungen mit je etwa 400 qm Gartenfläche erstehen, auf dem Siedlungsgelände
II, das etwa 25 km nördlich vom Siedlungsgelände J an der Bahnlinie Nürnberg⸗Heroldsberg
lag, sollten rund 600 Einfamiliensiedlungen mit größeren landwirtschaftlichen Nutzflächen bis
zu 1 Tagwerk errichtet werden. Die neu errichtete Körperschaft „Siedlungswerk Nürnberg“,
welche die Frage des Bauprogramms von allem Anfang an mit der gebotenen Nüchternheit
behandelte, sah sich gezwungen, die Aufgaben des Unternehmens, so bedauerlich dies vom Stand⸗
ounkte der Bekämpfung der fortschreitenden Wohnungsnot auch war, zunächst erheblich zu be—
schneiden. Den Ausschlag gaben hierbei Erwägungen finanzieller Art. Da das