Riesige Fälschungen.
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Bei Broch (Kolb 1859) steht Kaspar ebenfalls in höchst auffallen—
der Haltung da, kann aber weder gehörig aufrecht stehen noch
seine Füße regieren. Auf dem kurzen Wege nach dem Turm
sank er fast bei jedem Schritt nieder! Dick wie ein Nilpferd
ist diese Lüge, womit Kolb sich in seiner ersten Hauserschrift sofort
die Sporen verdient hat. Erst nach Dr. Meyers Authentischen Mit⸗
teilungen (1872) wurde der von Feuerbach auf dem Pflaster fest—
geleimte Kaspar wieder mobil: bei ....... aus K. (1883) wankt
er, einem (nachts aus seiner Stammkneipe in der Corduanstraße
heimkehrenden ) Betrunkenen gleich, dahin. Er schaukelte also
nicht mehr, wie wir das wohl alle schon in irgend einem zoologischen
Garten beobachtet haben, auf derselben Stelle bloß den Körper.
Freilich wäre er auf die Art nie vom Bärleinhuterberg herunter—
gekommmen.
Mit einem Worte, Feuerbachs Buch ist von Anfang bis zu
Ende eine unlautere Rekonstruktion der ihm aus den Akten be—
kannten historischen Wahrheit im Dienste des Hauserschwindels, sein
phantasmagorisches „Verbrechen am Seelenleben eines Menschen“ ein
litterarisches Verbrechen an den Gesetzen der Natur und des Denkens.
Denn so wie die erste bekannte Stunde seines Auftretens, so werden
alle Momente der Hausergeschichte gefälscht. Der gesunde Bursche
vom 26. Mai 1828 „verriet tierische Stumpfheit“, seine hellen Augen
hatten ebenfalls den Ausdruck ,tierischer Stumpfheit“, er war nur „‚dem
Zustande eines Pescherä (so) vergleichbar“, er zeigte einen „Abscheu
gegen alle ()) Gewohnheiten und Bedürfnisse des Lebens“, feine „Seele
und manche seiner Sinne (lagen) anfangs in gänzlicher Erstar—
rung“, doch war er nur ein „halb-stummer Tiermensch“, aber aller—
dings damals „in Gefahr, entweder in die nahe Pegnitz zu stürzen
oder überritten und überfahren zu werden.“ Er war ja „während
seiner Jugendzeit in tierischen Seelenschlaf versenkt“ und trat erst
durch seine Aussetzung „aus dem Zustande der Tierheit heraus“, aus
einem „Seelenleben, dem Leben der Auster zu vergleichen, die, am
Felsen klebend, nichts empfindet als ihren Fraß, nichts vernimmt als
den ewig einförmigen Schlag der Wellen“ — so wurde Kaspar Hauser
wie aus einem schwangeren unterirdischen Loche heraus am 26. Mai