Volltext: Festgabe zur 14. Hauptversammlung des Bayer. Volksschullehrer-Vereins

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durch eine tüchtige Volksbildung aufgeführt wird, Die Bildung des Volkes kann 
aber' nur dann gedeihen, wenn vor Allem die Uberw achung des Volksunter— 
richtes Männern übertragen wird, welche die Erziehung als ihre 
Berufswissenschaft erlernt haben., 
Den Volksschullehrern ist doch wohl jetzt schon zuzutrauen, noch mehr aber 
unter der Voraussetzung einer tüchtigen Vorbildung, daß sie am besten wissen, 
was zu einer guten Volksbildung gehört und wie dieselbe zu begründen und zu 
pflegen sei. Der Stand der Volksschullehrer steht näher an der Masse des Volkes, 
als jeder andere Stand. Daher ist ihm, wie kaum einem andern Stande möglich, 
die Beschaffenheit der Volksbildung mit ihren Mängeln kennen zu lernen und 
hieraus die Vorschläge zu ihrer fortwährenden Verbesserung abzuleiten. Aber 
bisher sieht und fühlt sich der Lehrer überall beschränkt, weil, wohin er sich, mit 
seinen Vorschlägen wendet, er allenthalben auf Männer trifft, welche seinen 
Beruf nicht teilen, denen daher die rechte Teilnahme für seine Sache fehlt und 
die sich nur selten die Mühe geben, sie gehörig zu würdigen. Wenn nun allgemein 
als Grundsatz gilt, daß jeder Stand von seines Gleichen am besten beaufsichtigt 
werde, und wenn es schon die Würde jedes einflußreichen Berufes für sich fordert, 
selbständig dazustehen: so muß diese Selbständigkeit um so mehr für den Beruf 
der Volkserziehung in Anspruch genommen werden, weil er in seinen tiefgreifenden 
Wirkungen allermindestens keinem andern Berufe nachsteht, und weil er, durch 
fremden Einfluß getrübt, ewig des erkannten Zieles verfehlen muß. Nun wird 
der Lehrer aber vom Pfarrer beaufsichtigt, der, meist ohne pädagogische Bildung, 
die Schule zu sehr für kirchliche Zwecke benützt, öfters noch mit Abneigung, ja 
Widerwillen, dieses wichtige Amt als lästiges Anhängsel der Kirche betrachtet, und 
dadurch wird hauptsächlich die Sache der Schule ihrem eigentlichen Standpunkte 
entrückt. Daher erscheint es als notwendig: 
„Die Schule von der Kirche zu trennen 
„jund den Pfarrer von der Aufsicht über 
jden Lehrer zu entheben.“ 
Die religiöse Bildung geht dadurch, in der Schule nicht verloren; denn die 
Religion ist elwas ganz anderes, als die Theologie. Wenn man nun erwägt, 
daß die eigentliche Religion in den verschiedenen Glaubensbekenntnissen eine und 
diefelbe ist, und daß die kirchlichen Satzungen es waren, welche schon unsäglich 
viel Jammer und Elend über ganz Deutschland gebracht haben und die den 
Frieden immer wieder aufs neue zu stören drohen; so ergibt sich als ein dringender 
Wunsch, die urteilslose Jugend mit den strittigen Glaubenssätzen noch nicht bekannt 
zu machen, um nicht schon in das Gemüt der Unmündigen entzweiende Ansichten 
zu legen, und in ihr Herz nicht den Haß und die Verfolgungssucht statt der Pflicht 
der allgemeinen Menschenliebe zu säen. Daher möchte es geraten sein, „die 
unterscheidenden Kirchenlehren dem Pfarrer, zu überlaässen, dieselben 
aber nicht in der Schule zu lehren, sondern sie in den Konfirmanden— 
unterricht zu verweisen.“ 
Die Theologen haben aber nicht nur die Volksschule für ihre Zwecke benützt; 
sie haben sich auch, damit diese um so sicherer erreicht würden, zugleich der Vor— 
und Fortbildung des Volksschullehrers bemächtigt. Die Lehrer an den 
Seminarien sind hauptsächlich Theologen. Die vorzüglichste Bedingung zur Auf⸗ 
nahme in ein Schullehrerseminar besteht in dem Gedaͤchtniswerk von einer Masse 
kirchlicher Lieder und Bibelsprüche, verbunden mit den Lehrsätzen des 
Katechismus für Kinder. Der Bildungsgang des Volksschullehrers beginnt 
also in, der von Geistlichen beaufsichtigten Volksschule, geht durch die von Geist⸗ 
lichen überwachte Vorbereitungsanstalt und endigt mit dem von Geistlichen ge— 
leiteten Seminar; und hierauf nimmt ihn die Fortbildungsanstalt auf, wieder 
eine theologische Anstalt, so daß durch diesen Bildungsgang des Lehrers für die 
eigentliche Volksbildung nichts gebessert wird, wenn, auch die Trennung der 
Schule von der Kirche ausgesprochen würde. Es muß hiezu noch kommen, daß
	        
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