Des Sohnes Pietät.
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An der Wand hingen zwei Bildnisse, die stellten beide den
alten Meister Dürer dar. Sie waren von des Sohnes Hand
gemalt, das eine am Ende seiner Lehrzeit, da der Vater noch
in ziemlicher Kraft und Fülle des Leibes stand, das andere bald
nach seiner Heimkehr aus der Fremde, um dem Vater einen
Beweis zu geben, was er draußen in der Welt gelernt. Das
letztere zeigte das Antlitz eines siebzigjiährigen Greises, in wel—
chem das Alter arge Verwüstung angerichtet, denn es war voller
Runzeln und schaute recht müde drein. Die Mutter hatte die
beiden Bildnisse aus dem Familiengemach herbeigeholt und in
der Kammer aufgehängt.
Jetzt fiel ihr Auge darauf, und ein schwerer Seufzer ent—
rang sich ihrer Brust. „Ach was ist der Mensch, wie nichtig
und wie flüchtig ist sein Leben!“
Albrecht winkte ihr zu und meinte nach einer Weile: „Der
Leib zerfällt in Staub und Asche, aber das Gedächtnis des Ge—
rechten bleibet. Und ein gerechter, frommer Mann ist mein
lieber Vater allezeit gewesen, das ist wahr, und niemand weiß
das besser zu rühmen denn ich. Ach, wie danke ich Gott, daß
er mir solchen Vater gegeben, der allezeit als ein helles Exempel
der Ehrbarkeit und Gottseligkeit vor mir gestanden und mir den
Weg des Guten gewiesen.“
Frau Barbara weinte still vor sich hin, dann fing auch sie
nach einer Weile an, das Lob ihres Eheherrn zu sagen und alle
die Gutthat, die sie während ihrer langen Ehezeit von ihm em—
pfangen, mit vielen Worten zu rühmen.
Sie ward in ihrer Rede unterbrochen durch den Kranken,
der aus seinem Schlummer erwacht war und sich den Seinen
zuwandte. Er winkte den Sohn zu sich heran und nahm dessen
Hand. „Siehe, mein Sohn, ich sterbe, und deine Mutter ist
dann eine Witwe. So gedenke, daß sie dir von Kindesbeinen