Volltext: Geschichte der Stadt Nürnberg von dem ersten urkundlichen Nachweis ihres Bestehens bis auf die neueste Zeit

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zählten die Silben und hatten auf das Musikalische und die Inne⸗ 
haltung noch anderer Bestimmungen der Meistersingerordnung zu 
achten. Die Fehler, die den Merkern auffielen, wurden als „Strafen“ 
notiert, je nach ihrer größeren und geringeren Bedeutung mit einer 
Anzahl (eine bis vier) Silben (wir würden sagen Points). Wer die 
wenigsten oder gar keine Silben „versungen“ hatte, erhielt den ersten 
Preis, den Davidsgewinn, der zweitbeste einen Kranz. Jener war ein 
Gehänge, aus breiten Schildern bestehend, auf denen von einzelnen 
Gebern oder ganzen Gewerken herrührende Inschriften sich befanden. 
Da er für ein längeres Tragen zu schwer war, so wurde dem Ge— 
winner eine Schnur zuerteilt, an der drei große vergoldete Schillinge 
hingen, von denen der mittelste den König David mit der Harfe zeigte. 
Doch auch dieses Kleinod blieb im Besitz der Zunft und wurde nur 
vorübergehend als Auszeichnung verliehen. Liebhaber des edlen Meister— 
gesangs pflegten wohl auch für das Freisingen einige außerordentliche 
Gaben beizusteuern. Außer ihren Singschulen hielten die Meistersinger 
auch sog. Zechen ab, gesellige Zusammenkünfte, beim Wein oder Bier 
in einem größeren Gasthaus, namentlich dem Heilsbronner Hof und 
und im Goldenen Schwan. Auch auf diesen wurden Lieder gesungen, 
meist heiteren weltlichen Inhalts, bei denen man sein Kränzlein er— 
werben konnte, doch waren „Strafer oder Reizer“, d. h. Spottlieder 
gegen „Gesellschafter“ untersagt. Überhaupt sollte sich ein jeder dabei 
gebührlich verhalten, widrigenfalls er bei nächster Schul und Zech 
„müßig gehen“, d. h. denselben fern bleiben mußte. Wenn aber, wie 
wir gesehen haben, selbst bei den Singschulen in der Kirche gelegent— 
lich ein unzüchtiger und roher Ton gerügt werden mußte, so wird es 
damit auf den Zechen wohl häufig noch schlimmer bestellt gewesen sein. 
Namentlich die jüngeren Leute, die „Schüler“, mögen oft, sehr zum 
Verdruß der älteren Handwerker, die es mit ihrer „Kunst“ ernst 
nahmen, ein zügelloses grobes Betragen an den Tag gelegt haben. 
Die Meistersingerordnung, gewöhnlich Tabulatur oder einfach 
Schulordnung genannt, ist uns in einigen aus verschiedenen Zeiten 
stammenden handschriftlichen Exemplaren erhalten. Die älteste uns 
bekannte Tabulatur ist der im Jahre 1540 von Hans Sachs eigen— 
händig niedergeschriebene „Schuelzetel“, die jüngste ist die „neue Ord⸗ 
nung“ vom Jahre 1635, zu deren Beobachtung sich die Mitglieder der 
Meistersingerzunft bis ins Jahr 1735 durch Namensunterschrift ver— 
pflichteten. Schon allein aus diesen Ordnungen, wenn nicht auch die 
litterarischen Denkmäler dafür sprächen, geht hervor, daß die Meister— 
singer einen wirklich dichterischen Gehalt, was wir darunter verstehen, 
von den vorgetragenen Liedern überhaupt nicht beanspruchten, daß sie
	        
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