60
4
haben. Bedauerlich aber war's, daß diese Fabeln noch zu
Anfang des vorigen Jahrhunderts von Nürnberger Schrift—
stellern geglaubt, und in ihren Werken nacherzählt worden
sind. Dies gab ihren Gegnern willkommene Waffen des
Spottes und der beißendsten Kritik in die Hand, welche
aber da, wo sie zu weit gegangen ist, von den Späteren in
wohlverstandener Scheidung des Wahren und Falschen mit
Ruhe und Sicherheit in ihre Gränzen zurückgewiesen wor—
den ist.
Eine große Ahnenzahl und der Stolz darauf, — das ist
oft das Einzige, was so mancher Familie von diesen ihren
Vorfahren übrig geblieben ist; mit unsäglicher Mühe sucht
man seinen Stammbaum um Jahrtausende zurückzuleiten,
und es kommt gar nicht darauf an, daß der Ur-Ahnherr
ein armer verlorner Heide oder Jude gewesen ist, der den
hochgebornen Herrn Ur-Ur-Urenkel nicht einmal in dem—
selben Paradiese willlommen heißen kann. Bis zu Adam
hinauf hat's noch keiner gebracht, und dies wäre am Ende
das Natürlichste gewesen.
So glaubten nun auch die früheren Geschichtschreiber
Nürnbergs, es gehöre zum besonderen Ruhme und Glanze
ihrer Stadt, daß dieselbe schon in grauester Vorzeit gegrün⸗
det worden sei.
An der Burg zu Nürnberg steht ein alter Thurm, vom
Volk der Heidenthurm genannt. An der östlichen Seite
desselben sieht man zwei in Stein gehauene Figuren, alte
Männer, von denen der eine mit einer kurzen Keule bewaff—
net ist; eben so sind zwei Thiergestalten dort angebracht,
welche Aehnlichkeit mit Hunden haben. Mehr bedurfte es
nicht, um die Erbauung dieses Thurmes in die ältesten
Zeiten des Heidenthums zurückzusetzen, und einen Tempel der
Diana oder Vesta daraus zu machen, welche in jenen Ge—
genden besondere Verehrung genossen haben sollte. Der mit
der Keule wurde zu einem Fürsten Namens Hercules gemacht,