84
Swoͤlftes Kapitel.
Er traf den Meister über einer großen Mappe mit Zeich—
nungen und mußte sehen, wie er dieselbe eilfertig schloß. „Grüß
Gott, Albrecht! Da bin ich wieder in Nürnberg nach einer
Abwesenheit von schier einem Mond. Mein erster Gang war
zu Euch, wie habet Ihr mir die ganze Zeit gefehlet!“
Dürer reichte, den Gruß herzlich erwidernd, dem Freunde
die Hand.
„Ei“, lachte dieser, „welch Geheimnis berget Ihr vor mei—
nen Augen? Was habe ich verbrochen, daß ich Eures Ver—
trauens verlustig gegangen?“
Kopfschüttelnd erwiderte Dürer: „Was giebt Euch ein Recht
zu solcher Rede? Fühlet Ihr's denn nicht, daß Ihr meinem Herzen
näher stehet, denn ehedem? Kommt Euer Argwohn daher, daß
ich vor Euch verbarg, was noch nicht reif, sich vor den Augen
der Welt zu zeigen? Doch, da Ihr mich nun einmal in meiner
Heimlichkeit belauschet, so will ich Euch die Sache nicht länger
bergen. Fühle ich doch auch schon längst im Herzen ein Ver—
langen, dem Freunde zu vertrauen, was meine Seele bewegt.
Habet Ihr Muße, so lasset Euch auf diesem Sessel nieder und
höret mir zu.“
Pirkheimer folgte der Ladung und maß den Freund mit
gespanntem Blick. „Ihr führet seltsame Rede, Albrecht. Schier
will mir bange werden, als könnte ich etwas hören, was mir
Trauer schafft. Was habet Ihr?“
Dürer schüttelte sich die Locken von der Stirn. „Meine
Qual ist das, worüber alle Guten seufzen. Meine Sorge ist
die Not der Zeit. Das Leben will ersticken unter dem Druck
dessen, der sich den Statthalter Christi nennt. Wer seinen Mund
aufthut zum Zeugnis wider das allgemeine Verderben, er ver—
stummet unter des Papstes Bann. Johannes Hus, der tapfere
Mann, er ist still geworden in den Flammen des Scheiterhau—