Volltext: Johann Tobias Kiessling und einige seiner Freunde nach ihrem Leben und Wirken

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in der hat, hm würde fie auch nicht wohl gepaßt haben. 
YUuch mochte er wohl die Erfahrung gemacht haben, daß gar 
häufig bei denen, welche jene Uniform fragen, zu viel Worte 
und zu wenig Lebendige That da feil, und das war nicht in 
feiner Art (nach 1 Cor. 4, V. 20). Ueberdies Kann e8 Ci 
nem auf fo einer Meife, die fhnell an Allem vorbeiftreift, und 
überall, auch mit dem redlichften, beften Willen, befonders 
aber bei einem Aufenthalt von blos etlichen Stunden nur an 
der Haupt= und Poft= Straße der Wahrnehmung bleiben Fann, 
gar leicht fo ergehen, wie einem Manne, der in einem großen 
fchönen Gebäude Säle und Zimmer voll augenfälliger Kunftz 
werke befrachten will. Er geht von Saal zu Saal, von Zim: 
mer zu Zimmer, und ficht Semälde auf Semälde an. Auf 
dem Wege durch die Zimmer alle Fommt er auch durch die 
einfache Stube und Kammer des Mannes, der da immer wohnt; 
da ffeht ein alter bequemer Lehnftuhl, ein iraulicher Tifh und 
Ofen, und die Sonne fcheint freundlich herein; e8 ift aber we: 
der ein Gemälde noch Täfeleien zum Befehen darin. Da geht 
nun freilich unfer Neifender vor der Hand fchnell hindurch. 
Denn wie lKeblich und bequem es in diefem Zimmer zu wohnen 
und zu leben fei, das weiß nur der, welcher Sahre lang hier 
zwifchen ihren Wänden weilte. Der hat e8 dann freilich erfah= 
ren, daß es fich doch in dem fraulichen, bequem eingerichteten 
Stübchen und Kämmerchen nach Morgen hin gemüthlicher weis 
fen [äßt, als in den großen Falten Sälen; mögen die Kunft: 
werfe, die man wohl von Zeit zu Zeit gern einmal anfieht, auch 
noch fo fchön darin fein. 
€ gab aber auch damals unter den Nürnberger foge- 
nannten Pietiften, und zwar felbft unter denen von ihnen, welche 
nicht bloße Wörter = Leute, fondern chriftlich gefinnt waren, gar 
merfwürbdige, fonderbare Menfchen, die aber der liebe Sott, 
wenn fle rechtfchaffen und freu waren, doch alle lich hatte, troß 
Ihrer Sonderbarkeiten. Da war unter andern Einer darunter 
(Lavater fahe ihn auch), der hatte fich in den Kopf gefebt, 
da oben im Himmel wäre die Sprache der Seligen — die he=
	        
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