146
Tenarztz — fo nennt man hier zu Lande foldhe, die, wenn an
und in dem Triebwerk einer Mühle etwas zu Srunde geht oder
Schaden leidet, das wieder ausbeffern und heilen. Mein feliger
Tobias war aber Mühlenarzt in einem noch gar andern, befz
feren Sinne: er heilte nicht die Mühlenräder und Setriebe, fon-
dern das, was beffer {ft und mehr werth als alle Mühlen Inder
Welt: eine avme Menfchenfeele, die einem Müllerburfchen ange=
hörte, der in der Mühle nahe bei oder in einer großen Stadt
wohnte. Seine Heilmittel, die er zu diefer Cur brauchte, waren
Slaube, herzliches Erbarmen, ausdauernde Seduld und herz=
liches Sebet.
Einfimal — fo erzählte mir ein trefflicher Arzt, dem ich
manche fchöne Anekdote auch fehon für den erften Band meines
„Altes und Neues“ verdanke — erfährt unfer Seliger, daß in einer
Mühle ein gar ruchlofer Mühlknecht fei, welcher über Alles, was
gut und Heilig ft, aufs Frechfte fpottete und Käfterte. Da fühlt
er fih in feinem Herzen gedrungen, zu dem jungen Menfchen
hinzugehen und ihn Kiebend und freundlich zu bitten: doch nicht
mebhr fo ruchlos zu fein und zu reden, fondern fich mit Sott
in Chrifto verföhnen, und heilen und ganz für Ihn gewinnen:
zu laffen.
Der Mülerburfche macht erft ein fonderbares Seficht , als
der fremde Mann da ihn auf eine Weife anredet wie der Yfarz
ver, den er in feinen Kinderjahren manchmal in der Kirche pres
hen gehört; da er aber erft recht verftanden, was er eigentlich
bon ihm will, nämlich feine Bekehrung , lacht er ihm aut in’8
Seficht, und wendet fich von ihn weg. Aber mein feliger KXieß=
Ling läßt fich dadurch nicht irre machen. Er kommt immer
wieder und wieder in die Mühle und zum Mülerburfchen, und
fteht dem wie ein guter, Kebend Lodender; freundlicher Engel zur
Seite, der mag ihn nun mit Scheltwurten oder mit Spott,
mit gänzlicher UnaufmerFfamfkeit oder mit lautem Pfeifen und
Singen von Schelmliedern hinauszutreiben fuchen. Die arttz
dern Müllerburfchen haben am Ende auch ihren Scherz mit dem
gar ageduldigen Herrn und lachen herzlich, wenn fich ihr Camerad