Volltext: Das Hans Sachsfest in Nürnberg am 4. und 5. November 1894

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I. Die Festtage — 
„Quellen waren, aus denen er schöpfte, so wußte er doch allem, was 
er schuf, ein einheitliches Gepräge zu geben, das Gepräge seiner 
eigenen Frohnatur. So machte er das Entlegenste dem Volke 
mundgerecht und brachte es seinem Verständnis nahe. Er 
war wie der gute Übersetzer, von dem Luther fordert, er müsse 
solche Liebe zu seinem Werke und zu seinem Volke haben, daß 
sein Werk also dringe und klinge in das Herz durch alle Sinne, 
und der deshalb nicht die Buchstaben um Rat zu fragen habe, 
sondern die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den 
gemeinen Mann auf dem Markte, und diesen allen müsse 
er auf das Maul sehen, wie sie reden. Mit Recht hat man 
Hans Sachs mit den großen niederländischen Genremalern 
verglichen, so wahr und echt verstand er es, vor allem das 
niedere Volksleben zu zeichnen. Im Gegensatz zu seinen Meister— 
liedern nennt er die Dichtungen, die für die Offentlichkeit be— 
stimmt waren und die auch in Blatt- oder Heftform, mit 
Holzschnitten verziert, durch die Lande gingen und überall mit 
Jubel aufgenommen wurden, Sprüche oder Spruchgedichte und 
begreift darunter auch die in dramatischer Form verfaßten, 
deren er über 200 geschaffen hat. Meist sind es tolle Fast— 
nachtschwänke, in denen die ganze Derbheit und Zügellosigkeit 
der Zeit zum Ausdruck kommt, die sich aber von allem, was 
bis dahin auf diesem Gebiete geleistet war, durch ihren sittlichen 
Kern unterscheiden. Fehlt es auch nicht an manchen derben 
Späßen, die ein Zeitalter wie die vollkräftige Renaissance 
besser vertrug als unser nervöses Jahrhundert, so ist doch alles 
Unlautere, Lüsterne und Frivole, das in unserer Zeit so 
gerne an die Oberfläche tritt, gemieden. Der Zweck dieser 
Schwäuke war Ergötzung und Erheiterung des Volkes, eine 
sittliche und lehrhafte Tendenz, die ja auch Schiller im Auge hatte, 
als er die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtete, 
haben dagegen die Komödien und Tragödien. Erhob er sich in 
dieser auch nicht über die dialogisierte Erzählung, so bezeichnen 
sie doch den Anfang der deutschen Schauspielkunst. Und wie“
	        
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