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I. Die Festtage —
„Quellen waren, aus denen er schöpfte, so wußte er doch allem, was
er schuf, ein einheitliches Gepräge zu geben, das Gepräge seiner
eigenen Frohnatur. So machte er das Entlegenste dem Volke
mundgerecht und brachte es seinem Verständnis nahe. Er
war wie der gute Übersetzer, von dem Luther fordert, er müsse
solche Liebe zu seinem Werke und zu seinem Volke haben, daß
sein Werk also dringe und klinge in das Herz durch alle Sinne,
und der deshalb nicht die Buchstaben um Rat zu fragen habe,
sondern die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den
gemeinen Mann auf dem Markte, und diesen allen müsse
er auf das Maul sehen, wie sie reden. Mit Recht hat man
Hans Sachs mit den großen niederländischen Genremalern
verglichen, so wahr und echt verstand er es, vor allem das
niedere Volksleben zu zeichnen. Im Gegensatz zu seinen Meister—
liedern nennt er die Dichtungen, die für die Offentlichkeit be—
stimmt waren und die auch in Blatt- oder Heftform, mit
Holzschnitten verziert, durch die Lande gingen und überall mit
Jubel aufgenommen wurden, Sprüche oder Spruchgedichte und
begreift darunter auch die in dramatischer Form verfaßten,
deren er über 200 geschaffen hat. Meist sind es tolle Fast—
nachtschwänke, in denen die ganze Derbheit und Zügellosigkeit
der Zeit zum Ausdruck kommt, die sich aber von allem, was
bis dahin auf diesem Gebiete geleistet war, durch ihren sittlichen
Kern unterscheiden. Fehlt es auch nicht an manchen derben
Späßen, die ein Zeitalter wie die vollkräftige Renaissance
besser vertrug als unser nervöses Jahrhundert, so ist doch alles
Unlautere, Lüsterne und Frivole, das in unserer Zeit so
gerne an die Oberfläche tritt, gemieden. Der Zweck dieser
Schwäuke war Ergötzung und Erheiterung des Volkes, eine
sittliche und lehrhafte Tendenz, die ja auch Schiller im Auge hatte,
als er die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtete,
haben dagegen die Komödien und Tragödien. Erhob er sich in
dieser auch nicht über die dialogisierte Erzählung, so bezeichnen
sie doch den Anfang der deutschen Schauspielkunst. Und wie“